Zweiunddieselbe

Zweiunddieselbe - Mary E. Pearson *Worum geht's?* Die mittlerweile 17-jährige Jenna Fox erwacht nach mehr als einem Jahr aus dem Koma. Sie hat jegliche Erinnerungen an ihr früheres Leben verloren: Wer war Jenna Fox? Wie war sie? Hatte sie keine Freunde, oder warum hat sie in dem Jahr keinen Besuch bekommen? Mühsam versucht Jenna wieder ein normales Leben zu führen, doch die vielen offenen Fragen machen ihr das fast unmöglich. Langsam, aber sicher kommen füllen sich ihre bruchstückhaften Gedächtnislücken, doch die Wahrheit reißt Jenna erneut in ein tiefes Loch: Nach einem schweren Autounfall waren nur noch 10% ihres Gehirn funktionstüchtig. Bloß durch ein spezielles Bio-Gel, das ihr Vater entwickelt hat, ist sie noch am Leben - wenn auch illegal. Für Jenna beginnt ein innerlicher Kampf: Wie viel Jenna Fox steckt in den restlichen 10%? *Kaufgrund:* Eines Tages ging Lurchi mit einem Gutschein in die Buchhandlung und durchstöberte die Regale. Als sie dann durch Zufall dieses Buch entdeckte, las sie sich den interessanten Klappentext durch. Kaum war sie mit dem Lesen fertig, schwupps, da stand sie schon an der Kasse! - Das ist zwar schon etwas länger her, trotzdem hat mich dieses Buch so berührt und aufgewühlt, dass ich es nun noch einmal lesen und rezensieren musste! *Meine Meinung:* Durch den Klappentext, der einen durchaus zum Lesen anregt, erfährt man leider schon, wie das Buch im Groben abläuft. Im Nachhinein finde ich ihn sogar ziemlich blöd; schließlich erfährt man erst in der Mitte des Buches von dem Unfall und seinen Folgen. Es wäre spannender gewesen, wenn man erst mit Jenna von den Ausmaßen erfahren hätte. Außerdem muss ich gestehen, dass ich vor dem Lesen eine etwas "realere" Handlung erwartete und keine mit so fortgeschrittener Wissenschaft. Dies tut dem Roman allerdings keinen Abbruch! Er fasziniert trotz anderer Erwartungen. "ZWEIundDIESELBE" ist aus Jennas Sicht und im Präsens geschrieben. Durch diese zwei Aspekte fiel es mir sehr leicht, schnell in das Buch einzutauchen und mit Jenna mitzufühlen. Unterstützt werden die beiden Faktoren noch durch den anfangs sehr sterilen, einfachen Schreibstil. Er passt perfekt zu Jennas Situation, da sie selbst alles von Grund auf neu erlernen muss. Je mehr die Protagonistin zu sich selbst findet, desto konkreter wird auch Pearsons Schreibstil. Dennoch bleibt er auf eine bestimmte Art und Weise trist, einfach und abgehackt, aber nicht emotionslos. Jennas verzweifelte Gefühlsausbrüche sind sehr gut dargestellt. Als Leser fällt es einem verblüffend leicht sie zu verstehen, obwohl niemand ihre Lebenssituation wirklich nachvollziehen kann. Ich konnte ihre psychische Belastung förmlich auf meinen eigenen Schultern spüren! Es ist bemerkenswert, wie viel Kraft und Ausdauer Jenna auf ihrer Suche nach der Wahrheit beweist. Sie gibt nicht auf, bis sie endlich herausgefunden hat, wer sie ist. Bereits am Verhalten von Jennas Familie merkt man, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Ihre Mutter Claire spricht zum Beispiel davon, sie "wiederherzustellen". Solche Andeutungen tauchen immer wieder auf, stechen aber nicht sofort ins Auge. Aufmerksame Leser werden diese Anspielungen auf Jennas Zustand kaum übersehen. Pearson zeigt deutlich auf, welche Ausmaße der Kampf zwischen Ethik und Wissenschaft annimmt. Wie weit darf der Mensch gehen, in das Leben eingreifen? Zu Beginn scheinen die moralischen Wertevorstellungen zu siegen (am Beispiel der durch menschliches Handeln ausgebrochenen Aureus-Epidemie), da die Menschen allmählich begreifen, was sie angerichtet haben. Jennas Freundin Allys verkörpert diese Einstellung. Wie das Gefecht letztendlich ausgeht, zeigt das für mich doch sehr überraschende, viel zu kurze Ende. Ich war sehr erstaunt, dass das Thema Religion von der Autorin kaum beachtet wurde. Gerade bei einer solchen Thematik hätte ich mit mehr gerechnet: Wie geht die Kirche damit um, dass der Mensch sich vergöttlicht und über Leben und Tod entscheidet? *Cover:* Ich finde das Cover sehr schön gestaltet. Es ist zwar sehr schlicht, nimmt aber Bezug zur Geschichte, da Jennas Mutter ihre restlichen 10% des Gehirns mit einem Schmetterling vergleicht. Ich finde diesen Vergleich ziemlich verrückt und kann ihn nicht richtig nachvollziehen, aber ich finde es immer gut, wenn das Cover in irgendeiner Weise mit der Handlung zu tun hat! Außerdem ist der Schmetterling wirklich hübsch und symbolisiert für mich auch den Werdegang Jennas. *Fazit:* Als Leser gerät man selbst in einen Gewissenskonflikt: Wessen Beweggründe kann man am Besten nachvollziehen? Auf wessen Seite steht man selbst? Der Roman hat mich zugleich fasziniert und misstrauisch gemacht. Zwar ist ein Leben wie in "ZWEIundDIESELBE" noch nicht möglich, doch durch die rapiden Fortschritte der Forschung auch nicht mehr undenkbar. Wie werden wir damit umgehen, wenn es erst einmal so weit ist? Wann müssen wir unseren Schlussstrich ziehen? Ab wann wird der Mensch zur Maschine? Wie viel Individuum steckt dann noch in uns? Kann man an diesem Punkt noch von einer Seele sprechen? Trotz meiner Kritikpunkte kann und will ich nicht weniger als 5 Sterne vergeben; schließlich findet man kaum ein Buch wie dieses, das einen auf so enorme Weise zum Denken anregt.