Delirium

Delirium  - Lauren Oliver, Katharina Diestelmeier *Worum geht's?* "Amor deliria nervosa", früher auch als "Liebe" bezeichnet, ist eine schwere Krankheit, die nach einem langen Leidensprozess zum Tod führt - sofern man nicht gegen sie immun ist! Lena kann ihren Eingriff, der sie von allen zärtlichen Gefühlen befreien wird, kaum noch erwarten. Sie zählt bereits die Tage bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag, an dem sie operiert werden wird. Danach wird sie endlich so sein wie alle anderen, einen Partner zugewiesen bekommen und ein geregeltes Leben führen dürfen. Doch dann lernt Lena Alex kennen und alles, woran sie bisher glaubte, wird hinfällig. Sie wird infiziert und schon bald zeigen sich die ersten Symptome der "amor deliria nervosa"... *Kaufgrund:* Als waschechte "Dystopianierin" - ich komme um diese Bücher einfach nicht herum! - fiel mir "Delirium" schnell ins Auge. Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, war für mich die Entscheidung gefallen: Her damit! *Meine Meinung:* "Delirium" spielt einige Jahre in der Zukunft, eine genaue Jahreszahl wird nicht genannt. Die Wissenschaft hat die Liebe als tödliche Krankheit definiert und sogar eine Möglichkeit gefunden, sich von ihr zu befreien. Durch eine Operation werden die Menschen von der Liebe entlastet, sie werden niemals mehr ihren Schmerz und ihre tödlichen Folgen erleiden müssen. Während für uns die Liebe das Wichtigste und Schönste ist, wird sie in diesem Serienauftakt als das Schlimmste auf der Welt beschrieben. Lauren Oliver hat es geschafft, in ihrem neuen Roman eine realistische Welt aufzubauen, die jeden Leser bis ins Herz erschüttern wird. Eine Welt voller Gleichgültigkeit, Kälte und Taubheit, ohne Gefühle, Zärtlichkeit, Wärme und Nähe. Erschreckend, bestürzend, schockierend. "Delirium" geht wahrlich unter die Haut und lässt einem einige Male einen Schauer über den Rücken laufen. So großartig die Olivers Idee hinter "Delirium" auch sein mag, die Handlung ist der Autorin nicht so ideal gelungen. Es konnte sich keine richtige Spannung entwickeln. Das lag vor allem an der Liebesgeschichte zwischen Lena und Alex, der Oliver zu viel Beachtung geschenkt hat. Die Beziehung zwischen den beiden ist wichtig für die Geschichte, keine Frage, und die Tatsache, dass Lauren Oliver mit ihrem schreiberischen Talent die emotionalen Momente zu einem wahren Lesegenuss macht, möchte ich ebenfalls nicht anzweifeln. Es sind mehr Balance und Timing, die nicht stimmen und für viele langatmige Szenen sorgen. Es gibt so viele spannende Szenen, die zum Weiterlesen animieren, aber diese sind bedauerlicherweise stets von kurzer Dauer und verlieren schnell ihre Bedeutung, gehen beinahe unter. Ich hege allerdings große Hoffnungen, was die beiden Folgebände der Romanreihe betrifft, und bin mir fast sicher, dass Oliver daran arbeiten wird. Erzählt wird die gesamte Geschichte aus (Magda)Lenas Sicht, der Protagonistin des Romans. Sie ist keine Schönheit, in jeglicher Hinsicht eher durchschnittlich, fällt niemals auf. Eben eine ganze normale Siebzehnjährige, die sich an alle Regeln hält und ihren Eingriff kaum erwarten kann. Bis sie Alex trifft. Erst dann beginnt Lena, über das Leben, die Gesellschaft und sich selbst nachzudenken. Bisher hat sie an das geglaubt, was alle von ihr erwarteten, aber was will sie wirklich? Die unscheinbare Lena vollzieht in "Delirium" eine enorme Entwicklung, vor der man nur den Hut ziehen kann. Mit jeder Handlung wird sie stärker, reifer, selbstbewusster und vor allem natürlicher! Zu Beginn des Romans mag es vielen Lesern noch schwer fallen, sich mit Lena zu identifizieren; ihr Charakter ist zu stark an die gesellschaftlichen Normen angepasst, die für uns völlig unvorstellbar sind. Je mehr sie sich jedoch von diesen Fesseln löst, desto nachvollziehbarer und verständlicher wird ihr Verhalten. Die Nebencharaktere sind schwieriger zu bewerten als Lena. Während Alex oder Lenas beste Freundin Hana noch genügend Spielraum erhalten, um ihre charakterlichen Stärken und Schwächen - in ihrem Fall mehr Stärken als Schwächen, beide sind einen Hauch zu perfekt! - unter Beweis stellen zu können, kommt die viel interessantere kleine Cousine Gracie kaum zur Geltung. Die älteren Figuren, die den operativen Eingriff bereits hinter sich haben, sind dagegen beinahe zu vollkommen gelungen. Es ist beängstigend, wie realistisch sie trotz ihrer nüchternen und kalten Art sind! Das letzte Kapitel bringt die Geschichte zu einem grandiosen Ende, das man sich nicht spektakulärer und dramatischer vorstellen könnte. Nach den vielen langatmigen Szenen habe ich mit solch einem sensationellen Abschluss nicht mehr gerechnet! Da stört mich selbst die Tatsache nicht mehr, dass ein mir verhasster Cliffhanger auftaucht und uns Leser mit einem riesigen Berg an Fragen zurücklässt. Nun bin auch ich mit "amor deliria nervosa" zu dieser Romanreihe infiziert und kann es kaum noch aushalten, die Fortsetzung in die Hände zu bekommen! Zum Schluss möchte ich die Zitate erwähnen, die zu Beginn eines jeden Kapitels zu finden sind. Einige von ihnen sind aus dem fiktiven Buch "Psst", das in Lenas Welt quasi den Leitfaden zum "Leben ohne Liebe" darstellt. Sie haben mir das Lesen von "Delirium" zusätzlich versüßt und der sterilen Atmosphäre einen ganz besonderen Charme verliehen. *Cover:* Das Cover sticht in der breiten Masse nicht hervor und kann auch mich nicht überzeugen; schon wieder ein Mädchengesicht... Allerdings gefällt mir das Cover durch das Wort "Liebe", das sich über den kompletten Schutzumschlag erstreckt, nach dem Lesen tatsächlich doch noch, denn hinter dieser Idee steckt die schwerwiegendste Szene des Romans. *Fazit:* "Delirium" ist der Start in eine vielversprechende Dystopie-Reihe, der sich wie ein üblicher Serienauftakt liest. Die Idee, die Charaktere, die Gefühle und Olivers Schreibstil haben mich begeistert! Leider blieb die Handlung einige Male auf der Strecke. Das spektakuläre Ende sorgt jedoch für einen großen Pluspunkt! Schlussendlich vergebe ich schwache vier Sterne.