Ronar

Ronar - Anke Höhl-Kayser *Worum geht's?* Der zwölfjährige Ronar weiß nicht, wo er herkommt oder wohin er gehört. Er ist ein Findelkind, das kurz nach seiner Geburt vor den Toren Haanars abgelegt worden ist. Der Dorfschmied und seine Frau haben sich des kleinen Jungen angenommen und ihm alles gegeben, was er zum Leben braucht - bis auf das Gefühl, eine Familie zu haben und geliebt zu werden. Seine zahlreichen Geschwister haben ihn stets spüren lassen, dass er nicht dazugehört. Auch seine Ziehschwester Irith hat sich über ihn und seinen Hang zu Träumereien lustig gemacht. Trotz aller Rückweisung ist es jedoch der tapfere Ronar, der sich auf die gefährliche Suche begibt, nachdem Irith von einer Horde unbekannter Reiter entführt wird. Er hört nicht auf die Warnungen der anderen und macht sich auf zu einer Reise in den mysteriösen Nebelwald, indem die magischen Elthen leben. Nie ist jemand unbeschadet aus dem Wald herausgekommen, doch Ronar verspürt keine Furcht. Er macht sich auf, um Irith zu finden - und findet dabei heraus, wer er wirklich ist und was seine Bestimmung ist... *Kaufgrund:* Auf dieses Buch wäre ich niemals aufmerksam geworden, hätte die Autorin nicht selbst ein wenig Werbung gemacht. Der Klappentext klang so vielversprechend, dass ich zu "Ronar" nicht Nein sagen konnte! *Meine Meinung:* BoD-Bücher (Books on Demand) haben es nicht leicht. Kein anderer Verlag ist mit so vielen Vorurteilen behaftet wie der Selbstverlag: es gibt kein vernünftiges Textlayout, also kann das Buch nur schwierig zu lesen sein; ein Lektorat ist bei BoD eine Seltenheit, der Text muss mit Fehlerchen in Sachen Rechtschreibung und Zeichensetzung geradezu übersät sein; wenn kein renommierter Verlag Interesse an der Geschichte hatte, muss sie ja schlecht sein. Die breite Masse an selbst veröffentlichten, unbearbeiteten Büchern haben diese Vorurteile sicherlich nicht ohne Weiteres entstehen lassen, doch Anke Höhl-Kaysers erster Roman zeigt, dass es auch anders geht! "Ronar" hat nicht nur eine ordentliche Struktur, sondern auch weniger Fehler als so manches Buch aus einem bekannten Verlag. Als ich mit "Ronar" begann, wollte ich eigentlich nur kurz in das erste Kapitel hineinschnuppern. Die Zeit war knapp und ich wollte mir bloß einen ersten Eindruck verschaffen, um einschätzen zu können, was mich in diesem Debüt erwartet. Nun, was soll ich sagen? Aus dem geplanten ersten Kapitel sind noch neun weitere geworden, ehe mich ein genervtes Telefonklingeln zurück in die Wirklichkeit brachte. Anke Höhl-Kayser hat es geschafft, mich mit ihrem wunderschönen Schreibstil bereits nach wenigen Sätzen in Ronars Welt eintauchen zu lassen - und das so stark, dass ich am liebsten nicht mehr aus ihr herausgekommen wäre! Die detaillierte und poetische Sprache der Autorin ist ein besonderes Highlight: Wer es schafft, die Leser mit seinen Worten mitzureißen, zu berühren und in eine fremde Welt zu entführen, der darf sich wahrlich als Geschichtenerzähler und Schriftsteller bezeichnen! Ein schöner Schreibstil kann eine schlechte Geschichte leider nicht retten, das hat schon so manches Buch bewiesen. Auch um "Ronar" musste ich zu Beginn bangen: Zwar konnten mich die Worte förmlich zum Lesen verführen, aber die Handlung schien sich in Belanglosigkeiten zu verrennen. Von Kapitel zu Kapitel geschehen neue Dinge, die keinen großen Eindruck hinterlassen. Oft schleicht sich sogar der Gedanke in den Kopf, dass man sich dieses Kapitel doch getrost hätte sparen können! Je länger man Ronar auf seiner Reise begleitet, desto klarer wird jedoch, dass die Autorin ihre Leser mit diesen Eindrücken ganz bewusst an der Nase herumführen will! Denn was einen in "Ronar" erwartet ist keine gewöhnliche Fantasy-Geschichte, sondern ein ausgeklügelter Plot über Selbstfindung, den Wert der Freundschaft und die Macht der Manipulation, geschickt umwoben von einer phantastischen Welt voller Magie. Jeder Moment, jedes noch so kleine Wesen hat in "Ronar" seinen Sinn und Zweck für den weiteren Verlauf der Geschichte - sogar ein Hase, der aus dem Gebüsch gehoppelt kommt, hat eine tiefere Bedeutung als man ihm zutrauen mag. Bis zum Schluss erschließen sich Kapitel für Kapitel neue Fakten und Wahrheiten, die die Handlung maßgeblich beeinflussen und letztlich zu einem tollen Abschluss führen. Je näher das Ende jedoch rückte, desto schneller schritt die Handlung voran. Hier hätte ich mir definitiv mehr Seiten gewünscht! Alles, was Ronar während seines Abenteuers erlebt, und jeder, auf den er dabei trifft, prägt den Jungen und sorgt dafür, dass er sich am Ende des Romans zu dem entwickelt hat, der er geworden ist. Sowohl gute als auch schlechte Einflüsse wirken auf ihn ein, ziehen ihn vom Licht zum Schatten und wieder zurück. Selten darf man einem Protagonisten so intensiv dabei zusehen, wie schwierig es ist, zu sich selbst zu finden. Anke Höhl-Kayser ist es mit dem zwölfjährigen Ronar gelungen, einen außergewöhnlichen Protagonisten zu schaffen, der einem zu Beginn der Geschichte augenblicklich ans Herz wächst und dort einen festen Platz sicher hat. Man begleitet ihn gerne auf seiner Reise und fiebert pausenlos mit, möchte ihm am liebsten persönlich zur Seite stehen und ihm behilflich sein. Doch es gibt auch Momente, in denen man ihn an der Schulter packen, durchrütteln und anschreien möchte. Ronar ist ein komplexer Charakter, der Leser bewegen kann. Ronar sticht unter all den üblichen Protagonisten des Genres stark hervor, doch die Nebencharaktere bleiben bloß im guten Mittelmaß. Die Autorin konzentriert sich so stark auf Ronar, dass andere Figuren kaum noch eine Chance haben, selbst zu glänzen. Besonders mit der entstellten Parina, um die sich viele geheimnisvolle Gerüchte ranken, hätte ich mir mehr Zeit gewünscht, um ihren Charakter genauer betrachten zu dürfen. Bloß der Elthenkönig Althanian erhält die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt, und zeigt damit, wie wichtig Nebencharaktere sein können, wenn man ihnen Beachtung schenkt. Bleibt zu hoffen, dass die interessanten Figuren des ersten Buches in den Folgebänden nicht in Vergessenheit geraten. *Cover:* So einfach und doch so ausdrucksstark. Mit diesem schlichten Cover ist es der Künstlerin Noëlle-Magali Wörheide gelungen, die Atmosphäre von "Ronar" großartig einzufangen und sich von den Mainstream-Covern abzuheben. *Fazit:* "Ronar" beeindruckt mit einer vielschichtigen, bedeutungsvollen und klug gestrickten Geschichte fernab vom Mainstream. Ein toller, absolut liebenswürdiger Protagonist und der außergewöhnliche Schreibstil der Autorin sorgen dafür, dass man dieses Buch so schnell nicht mehr vergisst! Ich hätte mir allerdings an einigen Stellen - besonders am Ende! - gewünscht, dass Anke Höhl-Kayser ausführlicher auf die Dinge eingeht. Insgesamt vergebe ich für "Ronar" sehr gute 4 Sterne.