Ein Kuss ist ein ferner Stern

Ein Kuss ist ein ferner Stern - Alexander Rösler *Worum geht's?* Freya weiß genau, wie gefährlich Trampen für junge Frauen sein kann. Trotzdem sind ihr Bus und Bahn zuwider, um zu ihrem Freund Ben in die Hamburger Innenstadt zu kommen. Lange muss die hübsche Tochter aus gutem Hause nicht am Straßenrand warten. Als sie in das Auto steigt, begegnet sie einem weiteren "Tramper": August, der gut rechnet und sich Dinge leicht merkt, aber dafür nicht aus den Gesichtern anderer lesen kann - denn August ist Autist. Eine Geschichte über eine besondere Begegnung und tiefe Gefühle. *Kaufgrund:* Ich wurde durch das wunderhübsch Cover auf "Ein Kuss ist ein ferner Stern" von Alexander Rösler aufmerksam. Der Klappentext machte mir schnell deutlich: Diese Geschichte ist außergewöhnlich und verdient es, gelesen zu werden! *Meine Meinung:* "Ein Kuss ist ein ferner Stern" von Alexander Rösler ist ein Roman mit einem wahrlich extravaganten Thema: Die Liebe eines Autisten. Der Autor hat viel und ausgiebig recherchieren müssen, sonst wäre ihm nicht ein solch realistisches Buch gelungen! Charaktere und Handlung wirken wie aus dem wahren Leben. Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt: Durch Rudis Kommentare, Freyas Tagebucheinträge und Augusts Schreibaufgaben. Jede dieser Sichtweisen hat ihren eigenen Schreibstil und repräsentiert damit den jeweiligen Charakter. Augusts Schreibaufgaben sind die Kapitel des Romans, die am tiefsten unter die Haut gehen, denn sie erlauben uns einen Einblick in die Welt des Autisten. Zu Beginn haben mir Augusts Gedanken und Gefühle, die er versucht in Worte zu fassen - womit er als Autist große Probleme hat! -, sogar Kopfschmerzen verschafft. Bei all seinen mathematischen Formeln und Assoziationen fiel es mir mehr als schwer, den Überblick zu behalten! Mit der Zeit lernt August allerdings, sich besser auszudrücken, und es wird durch und durch emotional. Obwohl er stets alles sachlich beschreibt und kommentiert, er seine Empfindungen nicht erklären kann, schwirren starke Gefühle in der Leseatmosphäre umher, die keinen unberührt lassen. Rudis Kommentare sind vor allem eines: Ehrlich! Er spricht, als säße er von dem Leser, und erzählt diesem mit einer erfrischenden, witzigen Art seine Sicht der Geschichte. Als junger Mann, der zudem in einer Band spielt und an Festivals teilnimmt, ist es nicht untypisch, dass er einen gewissen Slang in seiner Sprache trägt. Sie machen ihn zu einem authentischen Charakter, dem man so, wie er ist, auf den Straßen Hamburgs begegnen könnte. Keine Sorge, übertrieben hat der Autor mit der Nutzung der Begriffe aus der Umgangssprache nicht - schließlich ist Rudi noch immer ein Germanistikstudent! Freyas Tagebucheinträge machen zu Beginn einen trostlosen und abgehackten Eindruck. Man merkt dem Mädchen augenblicklich an, dass sie sich mit ihrem Leben abgefunden hat, aber nicht glücklich ist. Selbst wenn sie über ihren Freund Ben schreibt, springen keine Gefühle aus ihren Worten. Umso anschaulicher und beeindruckender sind ihre Berichte, nachdem sie August begegnet ist. Zwar bleibt der Schreibstil im Groben stets holprig und ist daher etwas gewöhnungsbedürftig, doch wer sich auf diese "Sprache aus dem wahren Leben" einlässt, wird viel Gefühl zwischen den Zeilen knistern fühlen. So berührend und ergreifend die Geschichte auch ist, das Ende des Romans hat mir leider nicht gefallen. Es lässt zu viele offene Fragen zurück und als Leser fühlt man sich beinahe etwas alleingelassen. Ich habe kein "Happy End" a la Hollywood erwartet - im Gegenteil, dies hätte die authentische Handlung zerstört -, aber ein kleiner Blick in die Zukunft hätte das Buch besser abschließen können! Unter den Charakteren ist August das absolute Highlight. Es ist schwer, über ihn zu schreiben, da ich selbst nie mit Autisten zu tun hatte und somit nicht mit Sicherheit behaupten möchte, Rösler hätte ihn perfekt dargestellt. Alles in allem macht August für mich jedoch einen so großartigen Eindruck, dass ich mir wenigstens einer Sache sicher sein kann: Er wird noch lange in meinem Gedächtnis bleiben! Er ist ein liebevoller und herzensguter junger Mann, für den "die Stille nach der Musik" das beste ist. Man muss ihn einfach mögen! Auch die Nebencharaktere wurden wundervoll gestaltet und ausgearbeitet. Man merkt jedem einzelnen von ihnen an, wie viel Mühe und Liebe des Autors in ihnen steckt! Besonders Rudi, Augusts "Kümmerer", wächst einem mit seiner ehrlichen und witzigen Art schnell ans Leserherz. Mit Freya, Augusts Angebeteten, konnte ich leider nicht recht warm werden. Das lag allerdings mehr an dem groben Schreibstil ihrer Briefe als an ihrem Charakter. Sie ist nicht die oberflächliche und verzogene Tochter aus reichem Hause, wie man es wohl von ihr erwarten würde, sondern ein offenes Mädchen, dass sich nach echten Gefühlen sehnt. Im Laufe des Romans beweist sie mehr als einmal, wie viel Charakterstärke in ihr steckt; auch, wenn sie sich dessen anfangs selbst nicht bewusst ist. *Cover:* Das Cover stellt eine der emotionalsten Szenen des Romans dar. Man sieht Freyas und Augusts Silhouetten auf einem Ast, wie sie sich gegenseitig anschauen und kennenlernen. Im Hintergrund sind die Sterne im Himmel zu sehen. Einfach wunderschön! *Fazit:* "Ein Kuss ist ein ferner Stern" ist ein einzigartiger Roman über eine außergewöhnliche Beziehung, der sich vor allem durch seine verschiedenen Sichtweisen als besonderes Leseerlebnis auszeichnet! Insgesamt vergebe ich gute 4 Sterne.