Rezension: "Kälte"

Kälte - Michael Northrop

*Worum geht's?*
Als ein aufkommender Schneesturm Scotty und seinen besten Freunden Pete und Jason "schneefrei" beschert, nutzen sie ihre frisch gewonnene Freizeit, um trotzdem in der Schule zu bleiben und im Werkraum an Jasons Gokart zu arbeiten. Später werden sie von Jasons Vater mit dem Auto abgeholt - das ist ohnehin viel besser, als sich jetzt in einen der überfüllten Busse zu quetschen! Doch Jasons Vater wird nicht kommen, denn es schneit ununterbrochen weiter und schon bald liegt der Schnee so hoch, dass die Straßen nicht mehr befahrbar sind. Scotty, Pete und Jason sind zusammen mit vier weiteren Schülern und einem Lehrer in der Schule eingesperrt. Als Mr. Gossell sich auf den Weg macht, um Hilfe zu holen, und nicht mehr zurückkehrt und dann sogar der Strom in der Schule ausfällt, beginnt für die sieben Jugendlichen ein Kampf ums nackte Überleben...

*Kaufgrund:*
Auf "Kälte" wäre ich niemals aufmerksam geworden, wäre es nicht eines Tages urplötzlich zu mir hereingeschneit...

*Meine Meinung:*
"Kälte" von Michael Northrop ist der fiktive Erfahrungsbericht von Scotty Weems, dem Jungen, der die Zeit in der verschneiten Schule überlebt hat. Die Geschichte beginnt sehr vielversprechend; da man bereits weiß, was passieren wird, liest man Scottys Erzählung mit einer schrecklichen Anspannung. Man mag kaum verfolgen, wie er und seine Freunde sich ins Verderben stürzen - und trotzdem macht genau das zu Beginn den Reiz der Geschichte aus. Später sind es dann die verschiedenen Gefahren, denen die Schüler durch den Schnee ausgesetzt sind, die einen zum Weiterlesen animieren, während man permanent nur einen Gedanken im Hinterkopf hat: Wer wird überleben?

Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto stärker ebbt die Spannung jedoch ab. Denn so ausweglos und furchtbar die Situation in der Schule zunächst klingen mag, es hätte durchaus schlimmer kommen können. Die Teenager finden in dem riesigen Gebäude eigentlich alles, was sie zum Überleben brauchen, und sogar die Mensa gibt genügend Essen für die sieben Jugendlichen her. Michael Northrop hat es seinen Charakteren vergleichsweise einfach gemacht, wodurch sich der Mittelteil des Romans ein wenig in die Länge zieht. Mehr Dramatik und vor allem Tragik hätten der Geschichte sicher gut getan, denn die Spannung nimmt erst auf den letzten Seiten wieder etwas zu.

Dem Ende der Geschichte stehe ich sehr zwiespältig gegenüber. Einerseits gefällt es mir, wie der Autor seinen Roman hat ausklingen lassen, andererseits bleiben viele Fragen, die ich mir während des Lesens gestellt habe, unbeantwortet und hinterlassen eine gewisse Enttäuschung.

Protagonist Scotty, der ebenso der Erzähler der Geschichte ist, blieb für mich leider zu blass. Er ist ein ganz normaler und netter Fünfzehnjähriger, der sich zwar durchaus für Mädchen interessiert, sein Herz aber dem Basketballspielen verschrieben hat. Er träumt von einer großen Karriere, die ihm sein Coach durchaus zutrauen würde, und ärgert sich bei dem Schneesturm vor allem deswegen, weil seine Spiele für die nächsten Tage wohl abgesagt werden müssen. Man hat Scotty auf Anhieb gern, er ist sehr humorvoll und schafft es selbst in der misslichen Situation, in der er sich befindet, nicht den Draht zu sich selbst zu verlieren. Wer genau allerdings hinter der Figur Scotty Weems steckt, das will uns Autor Michael Northrop wohl nicht verraten, denn er hat seinem Protagonisten keinen tiefgründigen Charakter, sondern "bloß" eine außerordentliche Begabung für Basketball geschenkt.

Scotty fehlte es bereits an Tiefgründigkeit, die Nebencharaktere jedoch blieben gänzlich oberflächlich. Ich habe mit ihnen gelitten und mir für sie ein schnelles Ende des Schneesturms gewünscht, aber ans Herz gewachsen ist mir keiner von ihnen. Jeder einzelne Figur war für mich nichts weiter als ein Darsteller, der in einem guten Film bloß eine nette Rolle spielt.

Was mich an den Charakteren jedoch am meisten störte, war ihre fehlende Glaubhaftigkeit. Dafür, dass sie alle für mehrere Tage in einem Gebäude feststecken, völlig abgeschottet von der Außenwelt und ohne das Wissen, ob sie es überleben werden, verhalten sich die Teenager sehr vernünftig, erwachsen und ruhig. Selbstverständlich haben sie Angst, aber sie hält sich klar in Grenzen und ist nicht mit einer wahren Todesangst zu vergleichen. Von Nervenzusammenbrüchen, verzweifeltem Heimweh oder gar gereizten Gemütern fehlt jegliche Spur. Hut ab vor solch starken Jugendlichen, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass sie sich in einer wahren Situation so verhalten würden.

Northrops Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Der Autor schreibt leicht, locker und vor allem authentisch. Er legt seinen Charakteren genau die Worte in den Mund, die man von jungen Teenagern erwarten würde, und schafft es damit eine Atmosphäre, die für Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren ansprechend und nachvollziehbar ist.

*Cover:*
Auf dem Cover ist die verschneite Tattawa Highschool zu sehen, die die Charaktere der Geschichte besuchen. Man braucht nur einen Blick auf das Buch zu werfen, um sich sofort einen Schal und Handschuhe schnappen zu wollen! Die Atmosphäre des Buches könnte das Cover kaum besser darstellen - toll!

 

*Fazit:*
"Kälte" von Michael Northrop ist ein netter Roman für Zwischendurch, der einen für ein paar Stunden gut unterhält, allerdings zu wenig Tiefe besitzt, um langfristig im Gedächtnis zu bleiben. Die Charaktere sind sehr oberflächlich, die Geschichte jedoch hätte sich nur noch mit etwas mehr Dramatik und Tragik verbessern können. Für "Kälte" gibt es 3 Sterne.