Dustlands 01 - Die Entführung

Die Entführung (Dust Lands, #1) - Moira Young, Alice Jakubeit *Worum geht's?* Zusammen mit ihrem Vater, ihrem Zwillingsbruder Lugh und ihrer kleinen Schwester Emmi lebt Saba abgeschottet von der Zivilisation am Silverlake, einem ausgetrockneten See. Das Leben ist hart und die Dürre nagt an den Nerven aller, aber die Familie hält zusammen. Bis zu dem fürchterlichen Tag, an dem sich alles ändern soll. Eine Gruppe von Männern überfällt sie, tötet Sabas Vater und entführt ihren geliebten Bruder. Für Saba bricht eine Welt zusammen. Aber die junge Kämpferin lässt sich nicht unterkriegen! Sie macht sich auf die Suche nach Lugh und wird nicht aufgeben, ehe sie ihn gerettet hat. Eine gefährliche Reise voller blutiger Kämpfe beginnt, die Saba als "Todesengel" berühmt macht. Sie verliert niemals - komme, was da wolle... *Kaufgrund:* "Dustlands" ist mir durch eine Promo-Aktion des Verlags aufgefallen. Cover und Titel genügten bereits, um mich zum Lesen zu überreden. *Meine Meinung:* Kaum. Ist. Mir. Ein. Einstieg. Schwerer. Gefallen. Liest sich komisch, nicht wahr? Genau so fühlt es sich aber an, wenn man "Dustlands - Die Entführung" in den Händen hält und eben erst mit dem Lesen beginnt. Protagonistin Saba erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht - und zwar genau so, wie sie denkt, nämlich in kurzen, abgehackten Sätzen. Nicht selten verschluckt sie ein "e", sodass aus "Ich sage, denke, tue" ein "Ich sag, denk, tu" wird. Saba lebt mit ihrer Familie fernab von der Zivilisation, dementsprechend verfügt sie über keinerlei schulische Bildung. Sie weiß und kann nur das, was das Leben selbst ihr beigebracht hat. Moira Young hat ihre Protagonistin möglichst authentisch und realistisch gestalten wollen und nutzte dafür bewusst diesen außergewöhnlichen Schreibstil. Ich muss zugeben, dass mir Youngs Entscheidung zu Beginn nicht gefallen hat. So zu schreiben, wie Saba denkt, tat mir förmlich in den Augen weh. Es gibt noch nicht einmal eine wörtliche Rede in diesem Buch! Keine Anführungszeichen, nichts. Woher soll man denn nun wissen, welche Sätze Saba hört und welche sie denkt? Ich sah den restlichen Seiten des Romans mit großer Unlust entgegen, denn durch den abnormen Stil konnte kein Lesefluss entstehen, der mich mitreißen würde. Was sich aber nun so schlimm anhört, ist in Wirklichkeit das, was "Dustlands - Die Entführung" zu etwas ganz besonderem macht. Die ersten 50 Seiten waren mehr als anstrengend, sowohl für die Augen, als auch für das Gemüt. Ich sprang über meinen Schatten, ließ mich auf die Schriftsprache ein - und gewöhnte mich schließlich daran. Mehr als das; ich war begeistert! Kaum war es soweit, konnte mich niemand mehr vom ersten Band der "Dustlands"-Reihe wegzerren. Es war, als würde ich plötzlich von der Geschichte aufgesogen werden, als wäre ich auf einmal mit Saba mitten im Geschehen. Ja, es ist ein schwieriger Start, aber wer ihn überwindet, erlebt ein grandioses Leseabenteuer, das man intensiver und bewusster erlebt als so manch anderes Buch. Mit Protagonistin Saba ist es ähnlich. Auch mit ihr wusste ich am Anfang nicht recht umzugehen. Man lernt sie als ein stures, kaltes Mädchen kennen, das dem Leser durch ihr egoistisches und abgedroschenen Verhalten schnell unsympathisch erscheint. Doch mit jeder Seite lernt man sie besser kennen; ihre Art, ihr Charakter, ihre Hintergründe werden deutlicher. Genauso schnell, wie der schlechte erste Eindruck entstand, verschwindet er auch wieder. Die Suche nach ihrem Bruder und die gefährlichen Abenteuer, die sie dabei bestehen muss, prägen sie enorm und machen aus dem sturen Dickkopf eine reife und selbstbewusste Kämpferin. Sie wächst einem mit ihrer ehrlichen und unverfälschten Art so sehr ans Herz, dass man sie mit der letzten Seite gar nicht mehr gehen lassen möchte. An dieser Stelle muss ich noch einmal auf den Schreibstil zu sprechen kommen: Wenn Young nicht diese offene, authentische Sprache gewählt hätte, hätte ich mich niemals so sehr auf Saba einlassen können. Man sollte meinen, dass die Nebencharaktere zu kurz kommen, wenn man die Geschichte so stark aus Sabas Sicht erlebt. Welch ein Irrtum! Moira Young hat sich viel Zeit für ihre Nebenfiguren genommen und sie nicht als bloße Skizzen durch die Geschichte wandern lassen. Jeder ist interessanter als der andere, hat seine eigene Vergangenheit, seine eigene individuelle Persönlichkeit. Young macht es auch hier anders als die meisten Autoren; sie hat sich nicht auf ihren Hauptcharakter spezialisiert, sondern jede Figur während der Geschichte wachsen lassen. Zwei, drei Charaktere stechen in dieser Hinsicht hinaus und bleiben tatsächlich sehr blass, aber ich bin mir sicher, dass Moira Young ihnen in den Folgebänden umso mehr Aufmerksamkeit schenken wird. Die lange Reise durch die vertrocknete, heiße Welt fordert ihre Opfer. Es wird oft brutal und es fließt eine Menge Blut in "Dustlands - Die Entführung". Eine locker-flockige, fröhliche Geschichte bietet sich dem Leser hier nicht, noch nicht einmal während der Teile der Liebesgeschichte. Im Gegenteil: Es gibt einige Szenen, in denen man heftig schlucken muss, ehe man weiterlesen kann! Der pure Nervenkitzel ist hier allerdings nicht permanent zu finden, denn es gibt neben den aufregenden Szenen auch ein paar wenige langatmige Momente während Sabas Reise. Sie überwiegen nicht, sind mir aber trotzdem einige Male negativ aufgefallen. Nichtsdestotrotz ergeben die Charaktere, der eigenartige Schreibstil und die spannende Handlung insgesamt eine fantastische Dystopie der etwas anderen Art, die es verdient hat, gelesen zu werden. *Cover:* Das Cover gefällt mir sehr gut! Es fängt die gesamte Leseatmosphäre in einem einzigen Bild auf, indem man auch eine wichtige Szene erkennen kann. Ein absoluter Hingucker im Regal ist das "Dustlands"-Cover zwar nicht, aber es hebt sich definitiv von der Masse ab! *Fazit:* "Dustlands - Die Entführung" ist ein grandioses Buch, wenn man sich darauf einlässt. Der außergewöhnliche Schreibstil macht es einem Leser zu Beginn extrem schwer, sich mit Saba und der Geschichte anzufreunden. Doch sobald man sich daran gewöhnt hat, gibt es für "Dustlands" kein halten mehr! Insgesamt vergebe ich 4 Sterne.