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Die Leipziger blogger sessions 2017

In diesem Jahr fanden am letzten Messetag nun schon zum zweiten Mal die Leipziger blogger sessions statt. Mit einem Preis von satten 42 Euro für knapp vier Stunden Programm hat das Ticket eine ordentliche Lücke in mein Buchbudget geschlagen – und wer mich kennt, weiß, dass ich quasi jedes Mal mit Begeisterung die halbe Messe wieder mit nach Hause nehme –, dennoch siegte diesmal die Neugierde darüber, was die Leipziger Buchmesse wohl für die Blogger veranstaltete hatte. Im Nachhinein muss ich jedoch leider sagen, dass ich doch lieber die vier weiteren Taschenbücher hätte nehmen sollen …

 

Die blogger sessions fanden im Congress Center der Leipziger Buchmesse statt. Bei der Anmeldung erhielt man eine spärlich gefüllte Goodie-Bag, die neben Werbematerialen der Sponsoren, Block und Bleistift einen dicken Schmöker über Leipzig beinhaltete. Tatsächlich gebrauchen konnte ich aus der Tasche nichts, aber gut: Darum ging es ja auch gar nicht. Nachdem der Chef der Leipziger Buchmesse die neugierigen Blogger schließlich begrüßte, leitete FAZ-Feuilleton-Chef Andreas Platthaus die blogger sessions mit einer wirklich gelungenen Keynote ein. Auf Platthaus hatte ich mich schon im Vorfeld am meisten „gefreut“, denn für mich war absolut unverständlich gewesen, wie ausgerechnet jemand, unter dessen Zeitungshaus auch ein Oliver Jungen Blogger bis unter die Gürtellinie denunziert, eine Veranstaltung für die „(Zitat Jungen)“-Leser bereichern sollte.

 

Platthaus, begeisterter Comic-Leser und Entenhausen-Fan, fasste in seiner Keynote aber endlich genau das zusammen, was wir Blogger schon seit Jahren predigen: „Wir haben einen gemeinsamen Feind, und das sind diejenigen, die nicht lesen“. Er äußerte sich bewundert für das Engagement und die Leidenschaft der Blogger, gab zu, dass er sich die Mühe ohne sein festes Gehalt wohl nicht machen würde, und räumte sogar ein, dass das Feuilleton Blogger viel zu lange unterschätzt und belächelt hat. Nun ja: Auf einer Veranstaltung für eben jene blieb ihm wohl kaum etwas Anderes übrig, aber ich hatte durchaus den Eindruck, dass Andreas Platthaus es ehrlich mit uns meinte.

 

Wolfgang Tischler von literaturcafe.de führte als Moderator durch die weitere Veranstaltung, zum Schluss etwas gehetzt, im Großen und Ganzen aber sehr angenehm. Nach der Keynote konnte man zwischen einem Vortrag zum Thema Presserecht, Kooperationen, Datenschutz und Werbung von Tilman Winterling, selbst Blogger auf 54books.de und Rechtsanwalt, und einer Diskussionsrunde zum Thema „Warum über Bücher bloggen?“ wählen. Ich entschied mich für letztere und war trotz der sympathischen Speaker leider sehr enttäuscht, denn eine Diskussion kam überhaupt nicht zustande. Da rechts von mir ein Journalist einer namenhaften Zeitung und links von mir eine Verlagsmitarbeiterin saßen, verwunderte mich dies allerdings ganz und gar nicht.

 

Im Anschluss konnte man sich einen Vortrag mit BookTuberin Jessy von „Melody of Books“, Instagramerin Katja Murschel von „Minas Morgul Books“ und Podcaster Senor Rolando von „Büchergefahren“ zum Nutzen der verschiedenen medialen Kanäle anhören. Ich lauschte stattdessen jedoch Tina Lurz und Marcel Koch von lovelybooks.de zum Thema SEO. Für Bloggerfrischlinge oder jene, die sich bisher nicht mit dem Thema SEO befasst haben, war der Vortrag informativ und spannend gestaltet. Wer schon etwas länger dabei ist, wird hier vielleicht den einen oder anderen Tipp mitgenommen haben, prinzipiell aber zumindest mit der Erinnerung den Raum verlassen haben, der Thematik zukünftig doch mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

 

Mit einem Vortrag von Wolfgang Tischler und Fabian Neidhardt von mokita.de über das mehr als leidige Thema Monetarisierung fanden die diesjährigen blogger sessions ihren Abschluss. Die beiden Speaker haben 21 Möglichkeiten herausgestellt, wie man mit seinem Buchblog Geld verdienen kann. Welche das sind, könnt ihr selbst im Literaturcafé nachlesen. Einige Vorschläge, wie etwa das Crowdfunding und Patreon, erschienen mir für Buchblogs etwas an den Haaren herbeigezogen. Wer mit seinem Blog eine kommerzielle Absicht verfolgen will, findet hier aber mit Sicherheit den einen oder anderen Denkanstoß.

 

Während der Pausen oder im Anschluss an die Veranstaltung konnte man die Chance nutzen, sich von der Fotografin Birgit-Cathrin Duval ablichten zu lassen, um ein schickes und professionelles Profilfoto für den eigenen Blog zu bekommen. Damit waren die 4,5 Stunden auch schon vorbei und mitgenommen habe ich … die Erinnerung, mehr auf SEO zu achten, und ein Foto (das dafür aber auch mein Highlight der blogger sessions ist. Danke an dieser Stelle an die tolle Fotografin!). Für den stolzen Preis von 42 Euro. Organisatorisch war die Veranstaltung gut, es gab genügend Verpflegung, Sitzplätze und eine gute Atmosphäre. Inhaltlich hätte man aber viel mehr herausholen können. Wie es oft bei Veranstaltung für Buchblogger ist, hatte ich auch hier das Gefühl, das mehr Interessierte als richtige Blogger im Publikum saßen. Damit verfehlt eine solche Veranstaltung auch irgendwie ihren Sinn und Zweck.

 

Die Leipziger blogger sessions wurden von insgesamt sechs Sponsoren unterstützt: Buchjournal, LovelyBooks, BookLikes, NetGalley, VLB-Tix und Kiss & Tell Communications. Darunter sind durchaus namenhafte Unternehmen der Branche, weshalb ich mich sehr darüber wunderte, wie man bei solch einer Sponsorenriege noch immer einen so stolzen Preis verlangen konnte. In die Goodies kann das Geld nun wirklich nicht geflossen sein … Denn dort war ja nicht einmal gutes Schreibzeug dabei, um fleißig mitschreiben zu können. Für mich waren die blogger sessions 2017 zwar kein Reinfall, aber das Geld waren sie mir absolut nicht wert. Ob ich im kommenden Jahr wieder dabei sein werde – sofern die Veranstaltung denn fortgeführt wird – wage ich deshalb zu bezweifeln. Dafür müsste das neue Programm schon mehr als vielversprechend klingen.

 

Über die sozialen Netzwerke könnte ihr euch tiefer in die genauen Inhalte der Programmpunkze einlesen. Sucht dafür nach dem Hashtag #bmb17. Vor allem Büchertatzen hat sehr prägnant und detailliert darüber getwittert.

Schaurig und skurril - der perfekte Lesestoff für kleine Albträume!

Das Haus der verschwundenen Kinder: Roman (Heyne fliegt) - Claire Legrand

*Worum geht's?*
Victoria, Schulbeste und Vorzeigetochter, fühlt sich in ihrer Heimatstadt Belleville pudelwohl. Dort ist alles so perfekt und geregelt, wie sie es mag. Nur ihr Freund Lawrence passt nicht in Victorias tadelloses Leben. Lawrence liebt Musik (so eine Zeitverschwendung!) und träumt gerne vor sich her (so ein Unsinn!), doch Victoria hat es sich selbst zur Aufgabe gemacht, aus ihm einen gesellschaftstauglichen jungen Mann zu machen. Als Lawrence eines Tages verschwindet und nicht einmal seine Eltern ihn zu vermissen scheinen, wird Victoria stutzig. Plötzlich wird ihr bewusst, dass alle Kinder Bellevilles, die nicht eifrig und wohlerzogen sind, in Mrs Cavendishs Heim gebracht werden. Wer von dort zurückkehrt, ist eine Verkörperung von Artigkeit. Aber die meisten Kinder kehren niemals zurück. Victoria ist sich sicher: In dem abgelegenen Haus geht es nicht mit rechten Dingen zu. Sie begibt sich auf die Suche nach Hinweisen und ist felsenfest davon überzeugt, Lawrence zurückzuholen – ohne zu ahnen, welch schauriger Wahrheit sie damit immer näher kommt... 

*Meine Meinung:*
Mit ihrem Debüt „Das Haus der verschwundenen Kinder“ hat mich Claire Legrand auf den ersten Blick neugierig gemacht. Das bezaubernde Cover und der geheimnisvolle Klappentext haben mich sofort davon überzeugt, mich ohne weitere Umwege in das beschauliche Städtchen Belleville begeben zu müssen, in dem alles und jeder perfekt zu sein scheint. Denn wer nicht perfekt und regelkonform ist, so wie Lawrence, verschwindet auf seltsame Weise und niemand scheint sich darum zu sorgen. Gemeinsam mit Protagonistin Victoria, einer wissbegierigen und strebsamen Vorzeigetochter, die der Sache als einzige auf den Grund gehen will, stürzt man sich in ein schauriges Abenteuer voller düsterer Geheimnisse. 

Die Geschichte hat mich ab der ersten Seite gepackt. Ich war sofort verliebt in den Stil, das Setting und die tollen Illustrationen, die der Handlung tatkräftig zur Seite stehen und die mysteriöse Stimmung unterstützen. Leider hielt meine anfängliche Begeisterung in ihrer Stärke nicht so lange an, wie ich es mir vorgestellt hatte. Kaum ist Lawrence verschwunden und der Plot um die rätselhafte Suche nach Victorias Freund in Gang gesetzt, hält sich die Geschichte viel zu lange an Vermutungen, Theorien und geschmiedeten Plänen auf. Bis Victoria ihren Überlegungen endlich Taten folgen lässt, dauerte es für mich – angespannt und neugierig, wie ich war – viel zu lange. Doch das Durchhalten hat sich voll und ganz gelohnt: Übersteht man die langatmige Planungsphase Victorias, wird es einem mit Spannung pur gedankt! 

Victoria ist eine Protagonistin, die es einem zu Beginn nicht einfach macht. Denn im Grunde ist Victoria ein Charakter, der einem in jedem anderen Buch bis zur letzten Seite unsympathisch bleiben würde: Sie ist die Beste ihrer Schule und trägt diesen Fakt hochnäsig wie keine zweite durch ihr Städtchen. Sie ist penibel und kleinlich und duldet nichts, was gegen die Regeln verstößt. Und als wäre das noch nicht nervig genug, ist sie auch noch furchtbar stolz darauf, den zurückhaltenden Lawrence zu ihrem „ganz persönlichen Projekt“ gemacht zu haben, um ihn zu einem gesellschaftstauglichen jungen Mann umzuerziehen. So viel Überheblichkeit, Selbstverliebtheit und Arroganz, wie Victoria sie verströmt, ist für einen Protagonisten eigentlich ein absolutes No-Go!

Trotzdem hat es Victoria nach dem unglücklichen Start in Windeseile geschafft, mich für sich zu gewinnen. Ja, Victoria ist stets sehr von sich überzeugt und bleibt bis zur letzten Seite eine Besserwisserin, aber zugleich ist sie auch eine sehr starke und mutige Persönlichkeit. Victoria lässt sich von nichts und niemandem unterkriegen, beweist jede Menge Willenskraft und Tapferkeit und zeigt im Laufe der Geschichte auch mehrmals, dass sie in Wahrheit ein großes Herz besitzt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kinderbuch-Protagonisten, die erst lernen müssen, sich selbst und ihre Stärken zu schätzen, weiß Victoria von Anfang an sehr gut, wo ihre Stärken liegen. Sie dagegen lernt mit der Zeit, sich nicht nur durch ihre Leistungen zu definieren, und sich nicht nur auf ihr kluges Köpfchen, sondern auch auf ihr Herz zu besinnen.

Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto skurriler und schauriger werden die Geschehnisse und Wahrheiten, die Victoria aufdeckt. Dass es in Mrs Cavendishs Waisenhaus nicht mit rechten Dingen zugeht, ist einem als Leser schon bewusst, bevor man das Buch überhaupt aufschlägt! Doch selbst die ersten schaurigen Vermutungen und Eindrücke, die man während des Lesens erhält, kommen nicht an das heran, was sich im Inneren des Hauses wirklich abspielt. Claire Legrand hat sich für ihren Roman ganz bizarre und groteske Sachen und Wesen erdacht, die mir mehr als nur ein paar Male eine eiskalte Gänsehaut beschert haben. Die Autorin konnte mich mit den grausigen Ideen absolut überzeugen. Dennoch kann ich keine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen: In „Das Haus der verschwundenen Kinder“ steckt jede Menge Stoff für gruselige Albträume! Zarte Gemüter sollten es sich lieber zweimal überlegen, ob sie sich dem Horror wirklich aussetzen wollen.

Im kompletten Gegensatz zu den schaurigen Ereignissen steht der Schreibstil der Autorin. Claire Legrand schreibt so leicht und märchenhaft, dass sich „Das Haus der verschwundenen Kinder“ tatsächlich wie ein modernes Märchen liest. Sie zaubert Bilder in den eigenen Kopf, die einen mitten in die Geschichte zwischen den Buchdeckeln versetzen, und zieht so stark in ihren Bann, dass man gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören mag. Beinahe scheint es, als hätte Mrs Cavendish einen über die Seiten hinaus in ihre Fänge gezogen, aus denen es ohne Victorias Hilfe kein Entrinnen mehr gibt. Bis zur letzten Seite erweist sich die Geschichte als atmosphärischer Pageturner, den man nach einem gelungenen Epilog nicht ohne gruselige Hintergedanken zurück in sein Regal stellt.

*Fazit:*
„Das Haus der verschwundenen Kinder“ von Claire Legrand ist ein Debüt, das mich absolut überrascht hat – im schaurig-schönen Sinne! Die Geschichte der eifrigen Victoria, die sich auf die Suche nach ihrem verschwundenen Freund (oder eher „Projekt“) macht, steckt voller düsterer Geheimnisse, die mir so manchen eiskalten Schauer über den Rücken gejagt haben. Die Protagonistin macht es einem mit ihrer speziellen, arroganten Art zunächst nicht einfach und auch die Geschichte flaut nach einem aufregenden Start erst einmal wieder ab, doch das Durchhalten lohnt sich: Ab der zweiten Hälfte wird es grausig, erschütternd und spannend! Die gruseligen Elemente der Autorin haben mich so sehr in ihren Bann gezogen, dass ich all die vorangegangenen langatmigen Kapitel beinahe völlig verdrängt hätte. Seltsam, skurril, schockierend – für mich ein genialer Lesespaß! Aber Achtung: Diese Geschichte ist nichts für schwache Nerven! Für „Das Haus der verschwundenen Kinder“ vergebe ich 4 Lurche.

Große Macht - oder sicherer Tod?

Tage des Verrats  - Theo Lawrence

*Worum geht's?*
Die Rebellion hat ihre Opfer gefordert. Aria hat sich gegen ihre Familie entschieden und versteckt sich mit den Mystikern an einem abgelegenen Ort, während ihr geliebter Hunter in Manhattan für die Gleichberechtigung seiner Leute kämpft. Nichts wünscht sich Aria mehr als an seiner Seite kämpfen zu können, doch die Gefahr ist zu groß: Die Roses und auch ihr Ex-Verlobter Thomas scheuen vor nichts zurück, um Aria wieder in ihre Fänge zu bekommen. Als Aria jedoch bemerkt, dass auch Hunter nicht ganz ehrlich zu ihr ist und er sich immer stärker von ihr distanziert, bleibt ihr keine Wahl. Aria muss handeln. Sie schlägt ihren eigenen Weg ein. Einen Weg, der ihr entweder zu großer Macht verhelfen wird – oder sie in ihren sicheren Tod führt.

*Meine Meinung:*
Mit „Tage des Verrats“ geht die „Mystic City“-Trilogie von Theo Lawrence endlich in die zweite Runde! Die Handlung setzt einige Zeit nach dem Kampf ein, der so viele Opfer gefordert hat. Aria hält sich zusammen mit den geschwächten Mystikerin versteckt, während Hunter in Manhattan gegen Thomas und Arias Bruder Kyle für die Gleichberechtigung der Mystiker kämpft. Dort geht nichts mit rechten Dingen zu und Aria würde Hunter gerne zur Seite stehen, doch die Roses wollen ihre Tochter zurück – und scheuen keine Mittel und Wege, um zu bekommen, was sie wollen...

Dank Theo Lawrences flüssigem und mitreißenden Schreibstil und kleinen Erinnerungshäppchen von Aria fand ich mich innerhalb kürzester Zeit wieder mühelos in der Welt von „Mystic City“ zurecht. Beinahe erschien es mir so, als wäre ich niemals weggewesen! Gespannt, wie es mit Aria, Hunter und Co. weitergehen würde, wurde ich schnell in einen Lesefluss gerissen,der es mir unmöglich machte, „Tage des Verrats“ beiseite zu legen. Wie auch schon der erste Band beweist der Mittelteil der „Mystic City“-Trilogie, das er den Titel Pageturner voll und ganz verdient hat.

Nicht ganz unschuldig an der Pageturner-Atmosphäre ist auch das hohe Spannungsniveau, das sich von der ersten Seite an durch das komplette Buch zieht. Theo Lawrence gönnt seinen Charakteren keine Verschnaufspausen und wirft sie von einem actionreichen Kampf in den nächsten. Schon nach den ersten Seiten fordert die actionreiche Handlung ihre ersten Opfer, auf die im weiteren Verlauf noch einige folgen sollen. Skrupellos, eiskalt und brutal, wie die verschiedenen Gruppierungen in „Tage des Verrats miteinander umgehen, sorgt so manche Szene für eine schaurige Gänsehaut. Ein weiterer Beweis dafür, dass das Buch mich absolut gefesselt hat!

Die „Mystic City“-Reihe ist wirklich ein Garant für aufregende Lesestunden und beste Unterhaltung, daran gibt es für mich keinen Zweifel. „Tage des Verrats“ habe ich nicht grundlos an bloß einem Tag verschlungen! Theo Lawrence beleuchtet diesmal vor allem die unterschiedlichen Charaktere, die in seiner dystopisch-fantastischen Trilogie aufeinander treffen. Aria hat sich als Protagonistin sehr weiterentwickelt und ist kaum noch wiederzuerkennen. Von dem Mädchen, das mir im ersten Band nicht auf Anhieb sympathisch war, ist nichts mehr zurückgeblieben. Stattdessen begleitet man eine toughe und mutige Protagonistin, die über ihre Schatten springt und mutige Entscheidungen trifft.

Die Nebencharaktere kommen ebenfalls nicht zu kurz, auch wenn ein paar wenige unter ihnen die undurchsichtigen und geheimnisvollen Figuren bleiben, die einen bereits im ersten Band gereizt haben. Turk zum Beispiel ist einer der Charaktere, in die man einen sehr tiefen und eindringlichen Einblick erhält. Ähnlich ist es bei den neuen Figuren, die man kennenlernen darf, und die frischen Schwung in die „Mystic City“-Trilogie bringen. Von Hunter dagegen erfährt man kaum etwas, dafür lernt man eine ganz neue Facette von ihm kennen, die nicht nur Aria äußerst suspekt vorkommt. 

Woran „Tage des Verrats“ leider nicht völlig vorbeikommt, ist das typische Problem eines jeden Trilogie-Mittelbandes: das Filler-Klischee. So viel Spaß mir das Buch während des Lesens auch beschert hat, muss ich nach der letzten Seite doch zugeben, dass die wichtigen Szenen, die die Handlung der gesamten Trilogie tatsächlich vorangetrieben haben, in wesentlich weniger Seiten hätten behandelt werden können. Ich würde sogar behaupten, dass man den kommenden Abschlussband auch lesen könnte, ohne „Tage des Verrats“ zu kennen. Die entscheidenden Elemente lassen sich in wenigen Sätzen zusammenfassen. Dennoch ist dieser Band für Fans der Reihe mehr als lesenswert – allein wegen der großartigen Unterhaltung und den Einblicken in die Charaktere! Aus der Handlung hätte Theo Lawrence jedoch noch mehr herausholen können.

Mit dem Abschluss des zweiten Bandes war ich allerdings nicht allzu glücklich. Die Geschichte verläuft von Anfang an sehr rasant, doch zum Schluss hatte ich das Gefühl, dass einige Handlungsstränge zu schnell und zu oberflächlich behandelt wurden. Auch die große Wendung, die viel Spielraum für das Finale der Trilogie bietet, wollte für mich leider nicht so recht zur gesamten Geschichte passen, obwohl sie sich in gewissen Aspekten auch schon erahnen ließ. Nun ist es an Theo Lawrence, sein Können im letzten Buch der „Mystic City“ unter Beweis zu stellen und zu überzeugen. Ich bin neugierig und mehr als gespannt, auch wenn ich nach diesem Ende auch sehr skeptisch bin.

*Fazit:*
„Tage des Verrats“ von Theo Lawrence ist ein gelungener zweiter Band der „Mystic City“-Trilogie, der seinen Lesern großartige Lesestunden beschert. Von der ersten Seite an herrscht ein hohes Spannungsniveau, das es unmöglich macht, das Buch beiseite zu legen. Man will stets wissen, wie es weitergeht, will mehr über die Charaktere, ihre Persönlichkeiten und ihre Beweggründe erfahren. Die unterschiedlichen Figuren liegen diesmal auch ganz klar im Fokus der Geschichte, während die Handlung leider ein wenig dem Filler-Klischee eines Mittelteils entspricht. Gestört hat mich das während des Lesens allerdings nie! Ich fühlte mich stets bestens unterhalten und habe mich von nichts und niemandem vom Lesen abhalten lassen. Für „Mystic City: Tage des Verrats“ vergebe ich 4 Lurche.

Seelen zwischen zwei Welten

Shadow World. Kampf der Seelen - Melissa Marr

*Worum geht's?*
Mallory hat kein festes Zuhause. Zusammen mit ihrem Ziehvater Adam, einem Maga, zieht sie von Stadt zu Stadt, um vor den Daimonen zu flüchten. Denn Adam hat etwas, das der Herrscher der Daimonen um jeden Preis zurückhaben will. Als ein weiterer Umzug ansteht, versucht sie allerdings ihren Vater umzustimmen: In Kaleb hat sie jemanden kennengelernt, den sie nicht mehr verlassen möchte – doch in einem Leben auf der Flucht, einem Leben im Kampf gegen die Daimonen hat Kaleb keinen Platz. Mallory weiß jedoch nicht, dass Kaleb in Wahrheit selbst tief in ihr Geheimnis verwickelt ist. Während er in der STADT, der Heimat der Daimonen, in einem tödlichen Wettkampf um seine Freiheit kämpft, treibt ihn ein ebenso tödlicher Auftrag in die Menschenwelt…

*Meine Meinung:*
Mit „Kampf der Seelen“ startet Melissa Marr, die sich durch ihre „Sommerlicht“-Pentalogie im Carlsen-Verlag bereits einen Namen gemacht hat, in eine neue phantastische Serie. Die „Shadow World“-Reihe, die nun im Ravensburger Verlag erscheint, spielt in zwei verschiedenen Welten: einmal der menschlichen Welt, wie wir sie kennen, und in der STADT, in der die Daimonen leben und sich einem strikten Herrschaftssystem des eiskalten Herrschers Marchosias unterwerfen müssen. Gemeinsam mit Mallory, dem Mädchen mit der verhängnisvollen Abstammung, das bisher nur in der Menschenwelt gelebt habt, und Kaleb, einem Streuner aus der STADT mit einem tödlichen Auftrag, erlebt man eine Geschichte voller Geheimnisse und Überraschungen.

Eine tragische Liebe in einer magischen Welt: 0815-Fantasy!? Liest man den Klappentext des Verlags, erhält man einen völlig falschen Eindruck von Melissa Marrs neuem Reihenauftakt. Besonders enttäuschend ist dabei, dass viele Handlungsstränge schlichtweg falsch dargestellt oder unpassend miteinander verknüpft werden. Dadurch wird der Auftakt der „Shadow World“-Reihe in eine Ecke gedrängt, in der das Buch überhaupt nichts zu suchen hat! In „Kampf der Seelen“ erfindet Melissa Marr das Rad der Jugendbuch-Fantasy zwar nicht neu, aber sie hat darin eine Welt geschaffen, die definitiv zu faszinieren weiß. Lasst euch also keinesfalls vom Klappentext in die Irre führen – lest ihn am besten gar nicht erst! – und gebt dem Buch eine faire Chance ohne Vorurteile.

Zugegeben: Die Spannung ist es nicht, die einen als Leser gebannt an den Seiten kleben lässt. Die Handlung von „Kampf der Seelen“ hat nur wenig actionreiche Highlights zu bieten und entwickelt sich eher zaghaft voran. Es ist vor allem die Geschichte an sich, die einen mitreißt und nach jedem Kapitel erneut zum Weiterlesen zwingt. Melissa Marr nimmt sich für ihre Charaktere und ihre Handlung viel Zeit und schreibt mit einer Liebe zum Detail, die es ihren Lesern ermöglicht, voll und ganz in den Roman abzutauchen. Es gibt in „Shadow World“ viel zu erleben und noch mehr zu entdecken. Eine Enthüllung jagt die nächste und lässt das Buch niemals langweilig werden. Es ist die Neugierde, die innere Aufregung, die einen als Leser immer wieder zum Weiterlesen animiert.

Dass der Auftakt der „Shadow World“-Reihe nicht vor Spannung strotzt, bedeutet allerdings nicht, dass es die Geschichte nicht in sich hat! Im Gegenteil: „Kampf der Seelen“ behandelt einige schwerwiegende Themen, die einen alles andere als kalt lassen! Misshandlungen in jeglicher Form – seien sie physischer oder psychischer Natur – gehören zum Leben der Daimonen dazu, Prostitution ist für viele Streuner die einzige Möglichkeit zu überleben. Melissa Marr lässt eiskalte Grausamkeiten in ihre Geschichte einfließen und macht damit mehr als deutlich, dass sie vor allem für heranwachsende Erwachsene schreibt.

Die Autorin fixiert sich nicht auf einen Protagonisten, sondern lässt gleich drei Hauptcharaktere ans Werk: die siebzehnjährige Mallory, die nichts von ihrer wahren Abstammung weiß und bisher mehr oder weniger friedlich in der Menschenwelt gelebt hat, Kaleb, der Streuner, der während des Basars der Seelen auf Leben und Tod versucht, seiner Kaste zu entkommen, und Aya, die wie Kaleb an den tödlichen Kämpfen teilnimmt, um sich als Frau von der Pflicht freizukämpfen, Kinder zu gebären. Durch einen außenstehenden Erzähler, der von Kapitel zu Kapitel die Perspektiven wechselt, erlebt man drei Schicksale, die sich im Verlauf der Geschichte immer stärker annähern und schlussendlich miteinander verwachsen. Drei Charaktere, die alle auf ihre Art faszinieren und überzeugen können. Melissa Marr hat wirklich tolle Figuren erschaffen, die sich perfekt in den Roman einfügen.

Melissa Marr lässt ihre Leser mit einem fiesen Cliffhanger auf der letzten Seite des Romans zurück, der einem genau das bestätigt, was man sich bereits nach der ersten Hälfte des Buches denken konnte: Auf Mallory wartet ein gefährliches Abenteuer, das sie im zweiten Band herausfordern und an ihre Grenzen treiben wird. „Kampf der Seelen“ war erst der Anfang und liest sich tatsächlich wie ein ausführlicher Prolog, der sowohl die Charaktere als auch die Leser erst auf das Kommende vorbereiten will. Nun bleibt zu hoffen, dass die Fortsetzung nicht allzu lange auf sich warten lässt…

*Fazit:*
„Kampf der Seelen“, der Auftakt der neuen Fantasy-Serie „Shadow World“ von Melissa Marr, hat es definitiv verdient, gelesen zu werden. Man sollte sich auf keinen Fall von dem fragwürdigen Klappentext irritieren lassen, der einen völlig falschen Eindruck erweckt: „Kampf der Seelen“ ist kein 0815-Roman des Genres. Zwar wird der Auftakt Fans von mitreißender Action wohl eher nicht für sich begeistern können, aber wer Lust auf eine gut durchdachte und interessante Geschichte in einer komplexen Welt voller Grausamkeiten hat, kommt hier voll und ganz auf seine Kosten. Die facettenreichen Charaktere runden „Kampf der Seelen“ ab. Für „Shadow World: Kampf der Seelen“ vergebe ich 4 Lurche.

Eine ernste, nachdenklich stimmende Geschichte mit Gänsehaut-Momenten

434 Tage - Anne Freytag

*Worum geht's?*
Anja ist erfolgreich, selbstständig, bodenständig. Zusammen mit ihrem Mann Tobias lebt sie in einem Haus, das er als Architekt entworfen und sie als Karrierefrau hat bauen lassen. Alles in Anjas Leben läuft gut; sie hat wahrlich keinen Grund, sich zu beschweren. Doch dann trifft sie nach über 10 Jahren ihre Jugendliebe Julian wieder, mit dem Anjas Leben immer viel mehr als bloß gut war. Es war aufregend, leidenschaftlich, ein Abenteuer. Und trotz der vielen Jahre, die vergangen sind, löst Julian noch immer diese unberechenbaren Gefühle in Anja aus…

*Meine Meinung:*
Anne Freytag ist wohl jeder Leseratte, die sich auch gerne im Internet herumtreibt, ein Begriff. Die lebenslustige Autorin hat sich als Self-Publisherin einen bedeutenden Namen gemacht, wird von ihren Leserinnen hoch gelobt und hat es nun sogar mit Buchprojekten zu einem Verlag geschafft. „434 Tage“ ist eine ihrer ersten Publikationen und auch das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe.

„434 Tage“ ist ein Gegenwartsroman, der die Geschichte von Anja Plöger erzählt. Kaum hat man das erste Kapitel gelesen, weiß man schon, worauf Anjas Gefühlswirrwarr hinausgelaufen ist: Sie hat eine Affäre mit Julian begonnen und betrügt ihren Ehemann Tobias schon länger als ein Jahr regelmäßig mit ihm. Auch wenn ihr Gewissen sie plagt, kann sich Anja nicht für einen der beiden Männer entscheiden. Sie will weder auf die Sicherheit und Geborgenheit von Tobias, noch auf die Leidenschaft und den Genuss von Julian verzichten. Anja steckt fest, zwischen den Stühlen, zwischen ihren Gefühlen, die Anne Freytag auf höchst authentische und ehrliche Weise widerzuspiegeln vermag.

Dennoch ist Anja natürlich klar, dass sie ihr verbotenes Spiel beenden muss. Sie muss sich entscheiden, ob sie ihre Ehe retten will oder ob sie einen neuen Versuch mit ihrer Jugendliebe wagen soll, die ihr vor 12 Jahren das Herz gebrochen hat. In „434 Tage“ begleitet man Anja auf dem Weg zu ihrer Entscheidung. Man durchlebt mit ihr eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle, wird von ihrer Lust auf Spontanität und Abenteuer mitgerissen. Zugleich versteht man aber auch Anjas Sehnsucht nach einem sicheren Hafen. Was sich im ersten Moment nach einer typischen Geschichte über das Fremdgehen anhören mag, ist ein aufwühlender und nachdenklich stimmender Roman, in dem man nichts nur schwarz und weiß betrachten kann.

Vor allem aber ist „434 Tage“ keine Geschichte, die sich bloß um die Entscheidung zwischen zwei Männern dreht. Es ist die Geschichte einer Frau, die nach vielen Jahren des Vergessens und Verdrängens endlich wieder auf ihr Herz hört. Die sich traut, in sich hineinzuhorchen, ihre Sehnsüchte zu ergründen. Die es wagt, sich neu zu definieren, sich selbst zu finden. Anja ist eine tolle Protagonistin, die man gern auf diesem Weg begleitet, auch wenn sie einem nicht immer sympathisch ist. Auch sie macht Fehler, trifft falsche Entscheidungen, die man nicht unterstützen kann und will. Aber genau diese Ecken und Kanten sind es, die Anja zu einer lebendigen Protagonistin werden lassen, der man auch über die Seiten hinaus im echten Leben begegnen könnte.

Anne Freytag erzählt ihren Roman über mehrere Ebenen. Kapitel für Kapitel springt die Autorin zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und zurück, sodass man jeden Handlungsstrang kennenlernt, der schlussendlich zu Anjas Entscheidung führen wird. Man erlebt jede Facette ihrer Liebe zu Julian, die Hintergründe ihrer gescheiterten Beziehung, die aufwallenden Gefühle für Tobias und auch die wiederkehrenden Emotionen, die Anja mit Julian verbinden. Mit jeder Seite lernt man nicht nur Anjas Leben, sondern auch sie selbst besser kennen, und es wird immer deutlicher, wie viel Anne Freytag zwischen den Buchdeckeln versteckt hat. Verworren oder gar verwirrend wirkt die Geschichte trotz der vielen Sprünge nie.

So gut „434 Tage“ mir auch gefallen hat, ein Aspekt der Geschichte ging mir doch gehörig auf die Nerven und ist mir so manches Mal negativ ins Auge gefallen. Anja vergleicht ihre Gefühlswallungen nämlich gerne mit einem inneren Dämon, der Ana Steels innerer Göttin aus „Shades of Grey“ mächtig Konkurrenz macht. Jedes Mal, wenn Anja an Julian denkt oder ihn trifft, wird sie von ihrem inneren Dämon begleitet, der mal wohlig schnurrt, sich ein anderes Mal lautstark beschwert oder auch einfach nur mit seiner bloßen Anwesenheit nervt. Tut mir leid, Anja, aber deinem inneren Dämon konnte ich leider partout nichts abgewinnen.

Mit den letzten Seiten beweist Anne Freytag, was sie kann, und übertrumpft sich sogar selbst. Sie überrascht mit einem Ende der Geschichte, das perfekt passt, ich aber niemals so hätte kommen sehen. Ganz plötzlich, ganz unerwartet, dafür mit einer ordentlichen Portion Gänsehaut findet Anjas Geschichte ihren Abschluss – und bleibt ganz sicher noch eine lange Weile im Gedächtnis ihrer Leser.

*Fazit:*
„434 Tage“ war mein erstes Buch der Autorin Anne Freytag und wird ganz sicher nicht mein letztes sein! Mit der Geschichte der erfolgreichen Anja, die sich zwischen ihrer sicheren Ehe mit Tobias und ihrer leidenschaftlichen Affäre mit Julian entscheiden muss – und dabei nicht nur auf Beziehungsebene entdeckt, was sie wirklich will –, hat mich mitgerissen und mit jeder Seite zunehmend begeistern können. Zwischen den Buchdeckeln steckt so viel mehr als man dem Roman auf den ersten Blick zutrauen würde: eine ernste, nachdenklich stimmende Geschichte, die einen nach der letzten Seite mit Gänsehaut allein lässt. Bloß Anjas innerer Dämon, der mindestens ebenso nervig ist wie Ana Steeles innere Göttin, hat mir den Lesespaß stellenweise etwas vermiest. Für „434 Tage“ vergebe ich 4 Lurche.

Viel verschenktes Potenzial

Teardrop: Band 1 - Lauren Kate

*Worum geht's?*
Schon als kleines Mädchen musste Eureka ihrer Mutter versprechen, niemals mehr zu weinen. Selbst nach dem schrecklichen Unfall, bei dem ihre Mutter ums Leben kam und den sie selbst nur schwer verletzt überlebte, hat Eureka keine einzige Träne vergossen: Nicht im Krankenhaus. Nicht auf der Beerdigung. Nicht einmal während des Versuchs, ihrem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Eureka ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, auch wenn sie einen gewissen Teil von sich niemals verloren hat. Doch dann trifft Eureka auf Ander und das Schicksal scheint die beiden immer wieder zueinander zu treiben. Während Eureka ihm langsam zu vertrauen beginnt, ist ihr bester Freund Brooks mehr als skeptisch. Wer ist dieser Ander? Warum weiß er Dinge über Eurekas Leben, von denen er gar nichts wissen kann? Als Brooks sich plötzlich selbst seltsam verhält, wird Eureka klar, dass sie endlich herausfinden muss, was es mit dem Versprechen auf sich hat, das sie ihrer Mutter gegeben hat. Was steckt wirklich hinter ihrem Erbe? Ein Kampf gegen eine geheimnisvolle Macht beginnt – eine Macht aus einer längst vergessenen Welt…

*Meine Meinung:*
„Teardrop“ ist nach der mehr als erfolgreichen Engelssaga, die nun sogar auf die Kinoleinwand kommen soll, der Auftakt einer völlig neuen Fantasy-Reihe aus der Feder von Lauren Kate. Sie erzählt die Geschichte der 17-jährigen Eureka, die nach dem Tod ihrer Mutter ihren eigenen Lebenswillen verloren hat. Eureka saß im gleichen Auto wie sie, direkt neben ihr, als plötzlich eine riesige Welle aus dem Meer über sie hineinbrach und sie verschlang. Eureka hat es irgendwie wieder an Land geschafft – schwer verletzt, traumatisiert und mit dem verzweifelten Wunsch, alles hinter sich lassen zu können. Aber lebendig. Und auf einmal ist alles anders in Eurekas Leben: Ihre Mutter hinterlässt ihr mysteriöse Gegenstände, ihr bester Freund verhält sich seltsam und etwas – oder jemand? – scheint hinter Eureka her zu sein.

Bevor man Eureka „persönlich“ kennenlernt, begegnet man zunächst einem anderen interessanten Charakter, der in „Teardrop“ eine entscheidende Rolle einnehmen wird. Denn der Roman beginnt mit einem Prolog, der sich voll und ganz auf ihn und seine Bedeutung in der Geschichte konzentriert: Ander. Ander ist ein junger Mann mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die einem schnell klarmachen, dass er nicht zur Sorte „durch und durch menschlicher junger Kerl“ gehört. Viel erfährt man über den faszinierenden Mann nicht, doch die winzigen Informationshappen sind spannend genug, um den Prolog zu einem fesselnden Auftakt der „Teardrop“-Saga zu machen. Ander und seine Kräfte sind mächtig – und er hat etwas mit dem vermeintlichen Unfall zu tun, in den Eureka und ihre Mutter geraten sind…

Eureka ist eine Protagonistin, die es ihren Lesern zunächst nicht leicht macht. Sie hat in der letzten Zeit viel ertragen müssen: die erneute Heirat ihres Vaters mit Rhoda, mit der sie sich überhaupt nicht versteht, den Unfall, bei dem ihre Mutter ums Leben gekommen ist und sie selbst schwer verletzt wurde, und schlussendlich ihren eigenen Selbstmordversuch. Es ist kein Wunder, dass Eureka eine sehr distanzierte und verschlossene Figur ist, zu der man nicht auf Anhieb einen Zugang findet. Doch auch im weiteren Verlauf der Geschichte konnte mich Eureka – trotz des Mitleids, das ich für sie empfand! – mit ihrer stoischen Art und ihren nicht nachvollziehbaren Entscheidungen nicht von sich überzeugen. Erst als sie im letzten Drittel beginnt, sich für die Personen, die ihr nahe stehen, zu öffnen, zeigt Eureka eine Seite von sich, die sie als Protagonistin sympathisch macht, die einen dazu bringt, mit ihr mitzufiebern.

Die Charaktere haben mich sehr zwiegespalten zurückgelassen. Eureka hat ihre Hochs und Tiefs und auch die anderen Figuren sind teils interessant und fasziniert, teils sehr stereotyp und oberflächlich. Ähnlich verhält es sich auch mit der Handlung. „Teardrop“ beginnt sehr stark mit jeder Menge Fragen, die beantwortet werden wollen, und aufregenden Ereignissen, die neue Wendungen in die Geschichte bringen. Lauren Kate bringt mit dem Auftakt ihrer neuen Serie eine innovative Idee in das Jugendbuch-Genre, der man so sicherlich noch nicht begegnet ist: Sie versetzt die Legende des versunkenen Atlantis in die moderne Zeit und kombiniert sie mit verfeindeten magischen Geschöpfen, einem schicksalhaften Erbe und einer großen Liebe, die nicht sein darf. Eigentlich eine perfekte Mischung für stimmungsvolle Jugendfantasy voller Romantik, die mit Spannung und Herzschmerz punktet. Aber eben nur eigentlich.

Leider hat mich Lauren Kates Umsetzung ihrer Idee nur mäßig unterhalten. Nach dem tollen Auftakt wurde die Geschichte sehr schnell zäh und kam nur langsam voran. Nicht selten erweckte ein Kapitel in mir den Eindruck, dass Lauren Kate es nur mit in den Roman geschrieben hat, um ihre Geschichte etwas mehr auszuschmücken. Durch die langatmigen Momente musste ich mich immer wieder etwas durchbeißen, wurde dafür aber auch stets mit mitreißenden Kapiteln belohnt, die mich wieder voll in den Bann von „Teardrop“ ziehen konnten. Von der ersten bis zur letzten Seite war es ein ewiges Hin und Her aus fesselnden Szenen und viel zu ruhigen Passagen, in denen die Handlung beinahe still zu stehen schien. Auch mit den Antworten auf die Fragen, die schon auf den ersten Seiten aufgekommen sind, hat die Autorin für meinen Geschmack häufig viel zu lang gewartet. Mit etwas mehr Tempo und einem strikteren roten Faden hätte aus „Teardrop“ durchaus mehr als nette Lektüre werden können.

*Fazit:*
Nach der erfolgreichen Engelssaga legt Lauren Kate mit „Teardrop“ den Auftakt einer neuen romantischen Fantasy-Reihe für Jugendliche nach, die sich mit einer modernen Version der Legende von Atlantis beschäftigt. Für mich war dieser Roman eine absolute Achterbahnfahrt, allerdings nicht nur im positiven Sinne. Sowohl die Charaktere als auch die Handlung haben es mir nicht leicht gemacht. Während die Protagonistin Eureka lange Zeit viel zu distanziert blieb, boten die übrigen Figuren eine bunte Mischung aus faszinierenden, interessanten und oberflächlichen Persönlichkeiten. Die Handlung hat dank Kates Idee durchaus Potenzial, allerdings schwächelt die Umsetzung durch viel zu viele langatmige Szenen. Für mich ist „Teardrop“ daher leider nur ein netter Auftakt, aus dem die Autorin noch viel mehr hätte herausholen können. Für „Teardrop“ vergebe ich 3 Lurche.

Das nachtblaue Kleid und das verschwundene Mädchen

Das nachtblaue Kleid: Roman - Karen Foxlee

*Worum geht's?*
Seit ihre Mutter vor vielen Jahren gestorben ist, reist Rose Lovell gemeinsam mit ihrem Vater rastlos durch die Welt. Sie finden keinen Platz für sich und ihre Geschichte, keinen Ort, der sich ihr Zuhause nennen möchte. So hat Rose schon schnell gelernt, alleine zurechtzukommen. Sie braucht niemanden. Weder Freunde, die sie ohnehin wieder verlassen muss, noch Familie, auf die sie sich niemals verlassen kann. Doch als Rose an einem kleinen Ort landet, der sich Paradies nennt, wird plötzlich alles anders. Dort lernt sie die lebenslustige Pearl Kelly kennen, die sie mit ihrem Strahlen zum Lächeln bringt. Von ihr lässt sich Rose sogar dazu überreden, den Ball des Erntefestes besuchen zu wollen – und so lernt das junge Mädchen die alte Edie Baker kennen. Eine Schneiderin, die im Dorf nicht den besten Ruf genießt, aber gemeinsam mit Rose das nachtblaue Kleid näht; das schönste Kleid, das auf dem Ball zu sehen sein wird. Durch Pearl und Edie beginnt Rose endlich, ihrem eigenen Leben die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft zu erlauben. Doch am Tag des Erntefests, an dem alles wunderschön sein sollte, geschieht das Unglück: Das Mädchen im nachtblauen Kleid verschwindet…

*Meine Meinung:*
„Weißt du, wie sich Liebe anfühlt, Rose? Als hätte man einen Himmel, einen ganzen Himmel in sich rasen. Ein Himmel mit allen vier Jahreszeiten darin. In der einen Minute schwebt man nur so dahin, und dann wieder ist man voller Donnerwolken, und dann ist man dunkel und tief und voller Sterne, und dann ist man leer.“ (Seite 220)

„Das nachtblaue Kleid“ beginnt mit einem äußerst seltsamen Einstieg: Ein außenstehender Erzähler kündigt an, dem Leser das Ende der Geschichte vorweg zu verraten. Er beobachtet eine Szenerie, in der ein Mädchen in einem nachtblauen Kleid auf jemanden zu warten scheint. Er hat Einblick in ihre Gedanken und Gefühle, spürt ihre Nervosität. Doch genau in dem Moment, indem es spannend wird, indem ein wenig Licht ins Dunkel zu strahlen scheint, springt der Roman zurück an seinen Anfang. Innerhalb dieser kurzen Zeit hat es Karen Foxlee geschafft, ihre Leser in die Fänge ihrer Geschichte zu treiben. Unbezwingbare Fänge, die ihre Beute nicht mehr loslassen, ehe man die letzte Seite erreicht und das Rätsel gelöst hat…

Karen Foxlee erzählt die Geschichte um das nachtblaue Kleid auch in den weiteren Kapiteln (die passenderweise immer nach einem Schneiderstich benannt sind) stets aus zwei Perspektiven. Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen, aber eindringlichen Szene aus dem Danach – der Zeit nach dem Erntefest, der Zeit nach dem Unglück. Ohne zu viel vom Ende der Geschichte zu verraten, sorgen diese Abschnitte immer wieder für Spannung und Aufregung. Man will weiterlesen, mehr erfahren, dem Geheimnis auf die Schliche kommen! Doch Karen Foxlee bietet ihren Lesern die Lösung der Katastrophe nicht auf dem Silbertablett. Sie fordert ihre Leser zum Nach- und Mitdenken auf, zwingt sie beinahe dazu, die Handlung auf eine Art und Weise zu verfolgen, die über das bloße Lesen einer Geschichte hinausgeht. Diese ganz spezielle Atmosphäre, die „Das nachtblaue Kleid“ hervorruft, macht den Debütroman der Autorin zu einem ganz besonderen Leseerlebnis: Drückend wie die schwüle Hitze in der Regenzeit Australiens, beengend wie das Leben im tuschelnden Paradies und zugleich so frei wie die Luft in den stillen, geheimnisvollen Wäldern.

Der zweite Teil eines jeden Kapitels, der von den Geschehnissen vor der großen Katastrophe berichtet, lebt vor allem von seiner ruhigen und stillen Anspannung. Man begleitet Rose, wie sie die Ortschaft Paradies entdeckt, wie sie Freundschaften knüpft, wie sie sich an diesem fremden Ort entwickelt. Da man bereits weiß, dass sich zum Ende der Geschichte etwas Schreckliches zutragen wird, kann man gar nicht anders, als die Handlung mit Argusaugen zu verfolgen. Dennoch ertappt man sich so manches Mal dabei, wie man sich in das Leben und die Authentizität der Geschichte fallen lässt und das Grausige dabei verdrängt. Das Buch lebt von seinen schaurigen Andeutungen, von den grausigen Theorien, die man sich als Leser in seinen Gedanken zusammenreimt. Doch während die beiden Handlungsstränge sich immer weiter annähern, darf man auch an vielen intimen und emotionalen Momenten der Charaktere teilhaben, die sich nicht nur gegenseitig, sondern auch selbst immer wieder neu entdecken.

Die fünfzehnjährige Rose ist keine stereotype Jugendbuch-Protagonistin. Sie ist eine verschlossene, sehr distanzierte Persönlichkeit, die es einem zunächst sehr schwer macht, einen Zugang zu ihr zu finden. Der frühe Tod ihrer Mutter und das rastlose Herumreisen mit ihrem Vater hat Rose geprägt, sie schnell lernen lassen, dass sie besser alleine zurechtkommt, ohne sich auf jemanden verlassen zu müssen. Durch dieses Verhalten und ihre schroffe, ehrliche Art wirkt Rose oft kühl und unnahbar, doch im Verlauf der Handlung lernt man das widerspenstige Mädchen mit den schwarz geschminkten Augen und den dunklen Lippen wirklich kennen.

Dank der unterschiedlichen Charaktere im Paradies lernt Rose, das Leben aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Pearl Kelly, das lebensfrohe und aufgeweckte Mädchen, schleicht sich in Windeseile in das Herz von Rose – und auch in das eigene. Sie lebt ihr Leben auf eine sorgenfreie, beschwingende Art, die ansteckt und einem ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Durch sie taut Rose auf und beginnt, ihr tief vergrabenes Ich zu entdecken, ihre Sehnsüchte und Wünsche zu erkunden. Gleichzeitig verändert Rose aber auch etwas in Pearl, etwas Tiefgreifendes und ebenso Entscheidendes, das Pearl reifer und erwachsener werden lässt. Zwischen den beiden Mädchen entsteht eine wahrlich außergewöhnliche Freundschaft, die nicht nur sie bewegt und berührt.

Neben den zahlreichen weiteren Charakteren, die eine entscheidende Rolle in „Das nachtblaue Kleid“ spielen, sticht vor allem die alte Edie Baker hervor. Jeder von Foxlees Figuren ist eine einzigartige und markante Persönlichkeit mit eigenen Stärken und Schwächen, mit interessanten Facetten und Charakterzügen, mit eigenen Abgründen. Edie Baker jedoch, die liebenswürdige Schneiderin, die von den anderen Bewohnern aufgrund ihrer skurrilen Lebensart als Hexe betitelt wird, ist etwas ganz besonderes. Sie hat ihre eigene Geschichte zu erzählen, aus der man viel mehr lernen kann als man zunächst glauben mag. Edie ist auf liebenswürdige Weise sonderbar, entwickelt sich nach einer anfänglichen Befangenheit aber schnell zu einem Lieblingscharakter, den man so schnell nicht wieder vergisst.

Karen Foxlee verfügt über einen außergewöhnlichen Schreibstil, durch den sie ihr Debüt deutlich von der Masse abhebt. Sie schreibt mit einer Eindringlichkeit und Intensität, die unter die Haut geht, und einer Ausdrucksstärke und Bildgewalt, die einen mit Haut und Haar in die Welt zwischen den Buchdeckeln versinken lässt. Zugleich legt sie aber auch eine Behutsamkeit und Ruhe an den Tag, die ihren Worten eine ganz besondere Magie verleiht. Man liest „Das nachtblaue Kleid“ nicht wie ein typisches Buch, sondern wie eine kraftvolle Erzählung, in der jedes Wort eine ganz besondere Bedeutung innehat: wachsam, aufmerksam und mit einer Aufregung, die süchtig macht.

Der Abschluss der Geschichte hat mich leider mit ein paar gemischten Gefühlen zurückgelassen. Einerseits bin ich mir sicher, dass Karen Foxlee für „Das nachtblaue Kleid“ das perfekte Ende geschrieben hat. Auch wenn es nicht das Ende ist, das man den einzelnen Charakteren gegönnt hätte, so ist es doch genau dasjenige, das passender, treffender und echter kaum sein könnte. Dennoch hat es mich nicht vollends zufriedenstellen können, was nicht nur daran lag, dass es für mich durchaus zu erahnen war. Karen Foxlee beantwortet nicht jede Frage, die im Laufe der Handlung aufgekommen ist, und lässt ihren Roman dadurch sogar über die letzte Seite hinaus geheimnisvoll erscheinen. Trotzdem wurde ich bis zum letzten Satz dieser Rezension das Gefühl nicht los, dass der Auflösung der Katastrophe das gewisse Etwas gefehlt hat. Dass es noch einen winzigen Funken in der Handlung gab, der um jeden Preis erzählt werden wollte. Eines ist damit allerdings glasklar: „Das nachtblaue Kleid“ wird mich noch lange beschäftigen…

*Fazit:*
„Das nachtblaue Kleid“ von Karen Foxlee ist anders, anders als die meisten anderen Bücher, die der Jugendbuchmarkt zu bieten hat. Es erzählt die Geschichte einer tiefen Freundschaft, einer berührenden Suche nach der eigenen Persönlichkeit und eines unsäglichen Unglücks, das alles verändert. Karen Foxlee hat mit ihrem Debüt einen Roman geschrieben, der seine Leser trotz seiner stillen und ruhigen Atmosphäre aufwühlt, sie süchtig an den Seiten kleben lässt. Der sie dazu zwingt, „Das nachtblaue Kleid“ nicht bloß zu Lesen, sondern zu erleben. Die Geschichte um Rose und das nachtblaue Kleid ist wirklich besonders und in vielerlei Hinsicht so atemberaubend wie die drückende Hitze Australiens. Ein Must-Read für alle, die Geschichten fernab des Mainstreams lieben. Für „Das nachtblaue Kleid“ vergebe ich sehr gute 4 Lurche.

Ein absolutes Herzensbuch!

Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam - Jennifer Gooch Hummer

*Worum geht's?*
Die dreizehnjährige Apron hat es nicht leicht: Ihre geliebte Mutter ist erst vor wenigen Monaten verstorben und schon zieht die neue Freundin ihres Vaters bei ihnen ein. Margie, die brasilianische Krankenschwester, die Apron nur M nennt, führt nichts Gutes im Schilde. Das weiß Apron genau. Doch ihr Vater, der Lateinprofessor, ist selbst viel zu beschäftigt, um seiner Tochter Gehör zu schenken. Als würde Apron ihre Trauer nicht schon genug zu schaffen machen, eröffnet ihr ihre beste Freundin Rennie eines Tages aus heiterem Himmel, dass sie nicht mehr befreundet sein können. Und dann wird M auch noch schwanger. Und Apron trifft auf Mike und Chad. Mike und Chad, die einen Blumenladen betreiben, dem regelmäßig die Fenster eingeschlagen werden. Apron kann nicht verstehen, warum die Leute in ihrer Stadt Mike und Chad aus dem Weg gehen, denn die beiden werden innerhalb kürzester Zeit zu Aprons besten Freunden, die ihr immer zur Seite stehen. Doch dann erfährt Apron, dass Chad sehr krank ist und ihm nur noch wenig Zeit bleibt…

*Meine Meinung:*
Ich habe mich von ganzem Herzen in dieses Buch verliebt. Cover und Klappentext haben mich schon auf den ersten Blick neugierig gemacht, aber ich hätte niemals gedacht, dass dieses Buch so viel in mir auslösen, so viel bewegen würde. „Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ von Jennifer Gooch Hummer ist ein wahrlich ein außergewöhnliches Debüt, das einen von der ersten Seite an begeistern kann. Dabei ist schon die erste Begegnung mit Apron alles andere als ein typischer Romananfang: Wie oft begegnet man schon einer Protagonistin, die sich gemeinsam mit ihrer besten Freund das Musical „Jesus Christ Superstar“ anschaut und dabei Jesus anschmachtet?

In Aprons Leben läuft momentan überhaupt nichts so, wie es sollte. Ihre Mutter ist nach langer Krankheit gestorben, ihr Vater ist kurze Zeit später mit der Krankenschwester M zusammengekommen, die nun sogar bei ihnen einzieht, ihre beste Freundin will plötzlich nichts mehr mit ihr zu tun haben und dann sind da auch noch Chad und Mike, die aus für Apron wirklich unerklärlichen Gründen von der ganzen Stadt gemieden werden. In „Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ geht es für das junge Mädchen um so viel: um das Leben, den Tod und die Trauer, die schwierigen Phasen des Erwachsenwerdens, um Verluste, aber auch um Kraft, Hoffnung und die Liebe. Jennifer Gooch Hummer konfrontiert Apron mit ganz alltäglichen, aber wichtigen Themen wie Religion, Homosexualität, die Suche nach sich selbst, und tut dies auf eine solch besondere, spezielle und grandiose Weise, dass mich der Roman vollkommen sprachlos und tief berührt zurückgelassen hat.

„Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ ist für mich ein absolutes „Post-it-Buch“ gewesen und ich gebe jedem von euch, der sich gerne Zitate in Büchern markiert, dringend den Rat: Kauft euch dieses Buch – und eine ganze Packung Post-its gleich dazu! Denn die dreizehnjährige Apron ist nicht nur eine sympathische Protagonistin, die sich mit ihrer ehrlichen und tollpatschigen Art in Windeseile in die Leserherzen stiehlt, sondern auch ein richtig kluges Köpfchen. Apron ist trotz ihres jungen Alters schon mit vielen schrecklichen Themen konfrontiert worden, hat aber vor keinem einzigen ihre Augen verschlossen. Sie beschäftigt sich mit dem Leben und all seinen Nuancen und bildet sich stets ihre ganz eigene Meinung. Dabei kommen so viele wunderschöne, philosophische und bewegende Gedanken herum, die einen selbst zum Nachdenken bewegen.

Jennifer Gooch Hummer bringt in „Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ viele unterschiedliche Themen zur Sprache, die in ihrer Masse und ihrer Kombination in anderen Romanen durchaus einen aufgesetzten und überladenen Eindruck hinterlassen hätten. Hummer gelingt es jedoch, alle Facetten ihrer Geschichte auf solch natürliche und authentische Art und Weise zu behandeln, dass man sich beim Lesen mitten in eine wahre Geschichte hineinversetzt fühlt. „Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ liest sich nicht einfach wie ein Buch, sondern wie das reale Leben mit all seinen Licht- und Schattenseiten, mit seinen Hochs und Tiefs, vor allem aber mit seiner knallharten Realität.

„Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ beschäftigt sich zwar mit vielen ernsten und deprimierenden Themen, ist aber keinesfalls ein durch und durch trauriges Buch. Es gibt auch sehr viele lustige und komische, teils sogar skurrile Momente in diesem Roman, die einen laut auflachen lassen. Der Autorin gelingt es immer wieder, sowohl ihren Charakteren als auch ihren Lesern ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern, auch wenn niemandem danach zumute ist, und schenkt damit durch die Seiten hindurch viel Kraft. Sie beweist, dass das Leben trotz seiner Schattenseiten wunderschön und lebenswert ist – und dass ein Lachen selbst in die düstersten Zeiten Licht bringen kann.

Der Verlag empfiehlt das Buch für junge Leser ab etwa 12 Jahren. Eine Altersempfehlung, die mich etwas zwiegespalten zurücklässt. Einerseits hat Jennifer Gooch Hummer das Buch wirklich perfekt für junge Leser geschrieben: Es liest sich trotz der ernsten Themen sehr locker und fluffig, die Kapitel sind nicht zu lang und auch der Stil an sich und Aprons Erzählperspektive sind für Leser dieser Altersklasse mehr als angebracht. Dennoch steckt in „Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ so viel, dass ich mir nicht sicher bin, ob junge Leser das Ausmaß und die Tragweite der Geschichte von Apron schon wirklich einschätzen können. Ganz sicher wird nach der letzten Seite Redebedarf bestehen! Nicht nur Eltern sollten dies zum Anlass nehmen, dem Buch eine Chance zu geben. Dieser Debütroman hat es nicht verdient, in Altersgrenzen eingepfercht zu werden, denn selbst Erwachsene können von Apron noch Unmengen lernen und sich von ihr neue Perspektiven für das eigene Leben aufzeigen lassen.

*Fazit:*
„Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ von Jennifer Gooch Hummer ist ein Buch wie das Leben selbst: mal schwierig, traurig und voller deprimierender Momente, mit denen man nicht recht umzugehen weiß, aber auch wunderschön, herrlich komisch und voller Hoffnung. Die Geschichte der dreizehnjährigen Apron, die auf ganz unterschiedliche Weisen lernen muss, mit Verlusten umzugehen, ihre Trauer zu bewältigen und trotz allem stark zu bleiben, hat mich tief berührt und zum Nachdenken bewegt. Nicht nur einmal hatte ich Tränen in den Augen – vor Rührung, vor Traurigkeit, vor Lachen. „Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ ist ein ganz besonderes Buch, das einen festen Platz in meinem Herzen gewonnen hat, und zu dem ich so viel sagen möchte, obwohl zwei Worte die ganze Rezension zusammenfassen könnten: Unbedingt lesen! Für „Der Sommer, als Chad ging und Daisy kam“ vergebe ich begeisterte 5 Lurche.

Ein Lesespaß, den man sich nicht entgehen lassen sollte!

Emily lives loudly - Tanja Voosen

*Worum geht's?*
Emily will auf die Mayenheim Art Academy – um jeden Preis! Der Film, mit dem sie sich dort beworben hat, wurde jedoch abgelehnt. Der Grund: Ihrem Film fehlen Realismus und Herz. Emily erhält allerdings eine zweite Chance und darf ein weiteres Projekt einreichen. Kurzerhand entschließt sie, einen Film über die Klischees der Liebe zu drehen. Sie will sich in den besten Freund ihres Bruders verlieben (klischeehafter geht es ja wohl kaum, oder?) und die Einzelheiten ihrer Geschichte festhalten. Doch plötzlich entwickelt sich Emilys Projekt doch nicht so, wie sie es erwartet hätte. Austin, der Bad Boy der Schule, kommt ihr ständig in die Quere! Emily ist davon alles andere als begeistert – und dann kommen auch noch Geheimnisse ans Licht, mit denen sie gar nicht konfrontiert werden möchte.

*Meine Meinung:*
„Emily lives loudly“ von Autorin und Buchbloggerin Tanja Voosen fällt neben den anderen Impress-Titeln aus dem Hause Carlsen gleich doppelt auf: zum einen schlägt der witzige Contemporary-Roman eine ganz anderer Richtung ein als seine eBook-Kollegen, zum anderen besticht er mit einem außergewöhnlichen, bunten und bezauberndem Cover, das man am liebsten sofort aus dem eReader herausziehen und ins Bücherregal verfrachten möchte. Dass auch die Geschichte selbst einen festen Platz im Lieblingsbuch-Regal verdient hat, beweist die junge Autorin gleich auf den ersten Seiten ihrer Geschichte. „Emily lives loudly“ bringt einen mit jeder Menge Witz und Charme augenblicklich zum Strahlen – und mal ehrlich: Menschen, die einen bei der ersten Begegnung zum Lachen bringen können, hat man doch auch auf Anhieb gern, oder?

Tanja Voosen nimmt die typischen Jugendbuch-Klischees mächtig auf die Schippe. Auf höchst amüsante Weise konfrontiert die junge Autorin ihre Charaktere mit stereotypen Figuren, wie man sie in jedem Roman des Genres trifft, und bekannten Wendungen und Schicksalsschlägen, unter denen mittlerweile jeder zweite Contemporary-Protagonist zu kämpfen hat. Emily und ihre Freunde verfallen allerdings nicht in das typische Schema, sondern kommentieren diese Ereignisse mit einem genauso genervten Augenrollen wie man selbst. „Emily lives loudly“ ist als Contemporary-Roman natürlich selbst nicht frei von alldem, aber Tanja Voosen hat sie auf so humorvolle Art umgesetzt, dass man gar nicht anders kann als sich in die Geschichte zu verlieben. Die junge Autorin weiß genau, welche Stellen ihres Romans dem gängigen Klischee entsprechen und beschreibt sie alle mit einem Augenzwinkern. Lesespaß pur! „Emily lives loudly“ hat jedoch auch eine ernste, nachdenklich stimmende Seite, die einen genau dann trifft, wenn das Herz es eigentlich nicht will.

Emily ist die Protagonistin, auf die die Buchwelt so lange gewartet hat. Sie ist weder die wunderschöne Highschool-Prinzessin, die jeder liebt, noch das unscheinbare nette Mädchen von Nebenan. Emily braucht keine Stereotypen. Sie ist, wie sie ist: eine authentische und ehrliche Protagonistin, selbstbewusst und herrlich sarkastisch. Emily lässt sich nicht einfach in eine Schublade einsortieren, sondern baut sich ihr ganz eigenes Fächlein. Sie ist nicht oberflächlich, sieht die Welt auf ihre eigene Weise und lebt ihr Leben so, wie sie es will. Obwohl sie gerne und viele Witze reißt (Sarkasmus ist quasi ihr zweiter Vorname), kann Emily auch ganz anders. Sie hat auch ihre nachdenkliche und tiefgründige Seite, doch selbst in düsteren Momenten verliert sie nie ihren Lebensmut. Emily ist eine wahnsinnig tolle Protagonistin, stark und sympathisch – man muss sie einfach lieben!

Austin, der mit seinem Bad-Boy-Image (inklusive Lederjacke) nur sein Dasein als Stalker tarnt, ist der Love-Interest der Geschichte und ein echtes Sahneschnittchen. Er ist ein lebensfroher, aufgeweckter junger Mann, der sich seiner Wirkung auf Frauen durchaus bewusst und nie um einen Spruch verlegen ist. Auch wenn Emily zu Beginn der Geschichte schnell und leicht von Austins aufdringlicher Art genervt ist, ist einem absolut klar, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis sie ebenfalls in den „We love Austin“-Fanclub (den man selbst nach seinem ersten Auftritt gegründet hat) eintreten wird. Austin ist mit seinem charmanten (wenn auch skurrilen) Humor, seinen seltsamen (aber herzerwärmenden) Annäherungsversuchen und seinem großen (etwas zu selbstverliebten) Herzen das perfekte Anschmacht-Opfer, das man sich für einen Contemporary-Roman nur vorstellen kann.

Wofür ich „Emily lives loudly“ allerdings fast einen ganzen Punkt abgezogen hätte, sind die unzähligen Zeichenfehler, die sich in den Roman geschlichen haben: Hier ist mal ein Punkt zu viel, da werden plötzlich andere Anführungszeichen verwendet und dort crashed ein Satz dank eines fehlendes Satzzeichens einfach mal in den vorangegangenen hinein. Das unordentliche oder gar fehlende Korrektorat hat mich so manches Mal aus dem Lesefluss herausgerissen und mächtig genervt. Schluss endlich hat mir „Emily lives loudly“ aber doch zu sehr gefallen, sodass es mir selbst das Herz gebrochen hätte, dem Buch deshalb eine schlechtere Bewertung zu geben. Impress als eBook-Label muss dafür einige Sympathiepunkte einbüßen.

*Fazit:*
„Emily lives loudly“ von Tanja Voosen ist ein herrlicher Contemporary-Roman, an dem ich mich gar nicht sattlesen konnte. Emilys „absolut gar nicht (naja, vielleicht ein bisschen) klischeehafte Klischee-Geschichte“ steckt voller Witz und Charme und hat mich ständig zum Schmunzeln gebracht. Eine großartige Handlung, die sowohl mit amüsanten als auch nachdenklichen Facetten begeistert, und wundervolle Charaktere, in die man sich einfach verlieben muss – was will man mehr? Lesespaß pur, den man sich nicht entgehen lassen sollte! Für „Emily lives loudly“ vergebe ich 5 Lurche.

Ein zwiespältiger Roman über das Mobbing und seine Konsequenzen

Das wirst du bereuen - Amanda Maciel

*Worum geht's?*
Emma Putnam ist tot – und Sara und ihre beste Freundin Brielle sind schuld daran. Sie haben Emma mit ihren Demütigungen in den Selbstmord getrieben und sollen sich nun vor Gericht für ihre Taten rechtfertigen. Absoluter Unsinn, wie Sara findet. Schließlich hat sich Emma nicht umgebracht, weil alle sie für eine Schlampe hielten – sondern weil sie eine war. Dass Emma da den einen oder anderen Denkzettel von Brielle und Sara erhalten musste, versteht sich doch von selbst. Und dass sie sich schließlich umbringen wollte, ist doch ihre eigene Entscheidung gewesen. Emmas Entscheidung ganz allein…

*Meine Meinung:*
Es gibt unzählige Bücher über Mobbing und es gibt wohl niemanden, der noch keines gelesen hat. In der Schule zählen sie mittlerweile zu den Pflichtlektüren, um die Schüler über das Thema aufzuklären und vor den Konsequenzen zu warnen. Amanda Maciel schlägt mit ihrem Debüt, dem Jugendthriller „Das wirst du bereuen“, die gleiche Richtung ein – und ist doch ganz anders als die Mobbing-Bücher, die man sonst in den Buchhandlungen finden kann. Die Autorin beschäftigt sich nämlich nicht, wie sonst typisch, mit dem Opfer, sondern mit den Tätern. Sie beleuchtet in ihrem Roman genau die Seite, die man sonst klischeehaft als bösartig abstempelt und nicht genauer untersucht. „Du wirst bereuen“ ist ein Roman, der sich mit der Gegenseite beschäftigt und zeigen will, warum es überhaupt erst zum Mobbing kommen muss.

Amanda Maciel erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen: dem „Davor“ und dem „Danach“. Während man Sara einerseits in der fiktiven Gegenwart, also nach dem Selbstmord ihrer Mitschülerin Emma, bis zu ihrem Gerichtstermin begleitet, springen einige Kapitel zurück in die Vergangenheit, in der Emma noch gelebt hat. Man erlebt, wie sich Saras Leben durch Emmas Tod verändert hat, wie sie sich selbst verändert hat, und welche Konsequenzen sie nun zu erwarten hat – oder auch nicht. Durch die Rückblicke erfährt man zudem Stück für Stück, was Emma in den Selbstmord getrieben hat, und diese Kapitel haben es wirklich in sich.

Protagonistin Sara ist absolut keine Hauptfigur, mit der man sympathisieren kann. Sie und ihre beste Freundin Brielle gehören zu jenen Mädchen, die sich stets für etwas Besseres halten. Arrogant, überheblich und auf eine ungesunde Weise von sich selbst überzeugt haben sie sich an die Spitze der Hackordnung ihrer Schule gekämpft, indem sie andere schikanieren, beleidigen und demütigen. Es macht ihnen Spaß, ihre Macht zu demonstrieren, und sie lassen keine Gelegenheit aus, Späße aus Kosten anderer zu machen. Sara und Brielle sind grausam und eiskalt – und machen sich damit weder bei ihren Mitschülern (obwohl sie natürlich nie wagen würden, es zuzugeben) noch bei ihren Lesern beliebt.

Saras Grausamkeit und ihre felsenfeste Ansicht, keine Schuld an der Tragödie zu tragen, machen es wirklich unmöglich, sie ins Herz zu schließen. Selbst nach Emmas Selbstmord pocht sie darauf, dass ihre „kleinen Späße“, die in Wahrheit viel tiefer gehen als man es sich vorstellen mag, stets lustig gewesen seien. Egoistisch, wie sie ist, regt sie sich sogar darüber auf, dass sich nun alle nur noch um Emma scheren und sich niemand darum kümmert, wer Emma wirklich gewesen ist. Sara ist auf ihre Weise eine Protagonistin, die einen so sehr abstößt, dass man unweigerlich fasziniert von ihr ist. Fassungslos klebt man an den Seiten, weil man nicht fassen kann – oder eher nicht fassen will -, dass ein solches Verhalten an manchen Schulen tatsächlich Gang und Gäbe ist.

Im Verlauf der Geschichte wird sehr deutlich, dass hinter Sara viel mehr steckt als ein oberflächliches Mädchen, das sich keiner Schuld bewusst ist. Je mehr Zeit man mit ihr verbringt, je näher man sie kennenlernt, desto deutlicher wird, wieso sie sich so ekelhaft verhalten hat. Sympathiepunkte sammelt Sara damit nicht und die Gründe entschuldigen ihr Verhalten auch nicht, aber Amanda Maciel schafft es tatsächlich, dass man ihre Protagonistin auf gewisse Weise verstehen kann. Man kann ihre Wut, ihre Abscheu gegenüber Emma nachvollziehen, und ertappt sich so manches Mal sogar selbst dabei, dass man das verstorbene Mädchen in einem schlechten Licht betrachtet. „Das wirst du bereuen“ geht mit seiner Thematik definitiv unter die Haut und bewegt zum Nachdenken.

Was mir bis zur letzten Seite gefehlt hat, war eine klare Darstellung von Emma Putnam, dem Opfer in der Geschichte. Wer war dieses Mädchen wirklich? Was hat sie zu ihren Entscheidungen und Handlungen bewegt, bevor sie in ihren Selbstmord getrieben wurde? Wie verlief ihr Leben, bevor sie an die Elmwood High kam? Für mich war Emma ein einziges Rätsel und ich hätte gerne mehr von ihr erfahren. Nicht nur aus Neugierde, sondern auch, um ihre endgültige Entscheidung besser nachvollziehen zu können. Während der Rückblenden macht Emma einen insgesamt toughen, manchmal etwas schwächelnden, aber niemals einen selbstmordgefährdeten Eindruck auf mich. Emma war für mich leider nicht der komplexe Charakter, den ich erwartet hätte.

Der Abschluss der Geschichte wirkte auf mich leider viel zu gestellt und zu gewollt. Das Verhalten, das Sara vor Gericht schließlich an den Tag legt, passt überhaupt nicht zu ihr und ihrer Persönlichkeit, die man im Verlauf der Geschichte kennengelernt hat. Vielmehr scheint es so, als würde Amanda Maciel ihrer Protagonistin um jeden Preis noch ihren Seelenfrieden schenken wollen. Ob sie es verdient oder nicht, sei an dieser Stelle dahingestellt, aber die plötzliche Erkenntnis Saras hat der Geschichte leider einiges an Glaubwürdigkeit geraubt.

*Fazit:*
„Das wirst du bereuen“ von Amanda Maciel ist ein schockierender Roman über Mobbing und seine Konsequenzen, der sich im Gegensatz zu den vielen anderen Büchern zu diesem Thema mal nicht mit dem Opfer, sondern mit dem Täter beschäftigt. Auf erschreckende und realistische Art zeigt Maciel in ihrem Debüt, was die junge Sara gemeinsam mit ihrer besten Freundin Brielle dazu bewegt, ein anderes Mädchen nach allen Regeln der Kunst zu demütigen – und sogar in den Selbstmord zu treiben. Es ist ein Roman, der es verdient hat, gelesen und beachtet zu werden. Der zum Nachdenken bewegt. Trotzdem hätte Maciel an einigen Stellen mehr aus ihrem Debüt herausholen können: Emmas Charakter war mir zu blass und das Ende der Geschichte hat dem Roman in meinen Augen leider viel Glaubwürdigkeit geraubt. Für „Das wirst du bereuen“ vergebe ich gute drei Lurche.

Der krönende Abschluss der "Legend"-Trilogie

Legend 3 - Berstende Sterne - Marie Lu

*Worum geht's?*
Während sich June an der Seite des neuen Elektors für einen kompletten Neuanfang der Republik einsetzt, kämpft Day um sein Leben. Trotz aller Schwierigkeiten und Komplikationen scheint es tatsächlich einen Weg zu geben, der June und Day in eine lichte Zukunft führen wird. Sogar ein Friedensabkommen mit den Kolonien steht kurz bevor. Aber dann bricht in den Kolonien ein Virus aus, das aus der Republik stammen soll. Ohne Heilmittel keinen Frieden. Doch es kommt noch schlimmer: Die Kolonien wollen ihre Rache. Der letzte Kampf um die Republik beginnt – und für June und Day zugleich der letzte Kampf um sich selbst…

*Meine Meinung:*
Endlich ist es da: Mit „Berstende Sterne“ legt Autorin Marie Lu den Abschluss ihrer erfolgreichen „Legend“-Trilogie vor. Wie sehnlich haben wir Fans drauf gewartet! Der Auftakt „Fallender Himmel“ hat mich neugierig gemacht, aber noch nicht umgehauen. Der zweite Band „Schwelender Sturm“ hat mich dagegen restlos begeistert. Dementsprechend hoch waren nun meine Erwartungen zum dritten Band. Mit ihm steht und fällt schließlich eine gesamte Trilogie. Aber so viel sei verraten: Marie Lu hat alles richtig gemacht und mit „Berstende Sterne“ einen genialen Abschluss geschrieben, der beide Vorgänger übertrumpfen kann.

Die Handlung setzt einige Monate nach den Geschehnissen aus „Schwelender Sturm“ ein, aber dank June und Day, die wieder die Erzählerrollen übernehmen und sich dabei kapitelweise abwechseln, findet man mühelos wieder in die Geschichte hinein. Schon nach wenigen Seiten ist man wieder mitten in Marie Lus Dystopie und wird von einem Lesefluss ergriffen, der einen keine freiwillige Lesepause mehr einlegen lässt. Die Handlung legt von Beginn an ein rasantes Tempo an den Tag und lässt einen zusammen mit dem flüssigen und mitreißenden Schreibstil der Autorin geradezu durch die Seiten fliegen.

Was „Berstende Sterne“ definitiv zu einem Highlight macht ist die Tatsache, dass man mit jedem Kapitel deutlicher spürt, wie viel Herzblut die Autorin in ihre Reihe gesteckt hat. Marie Lu hat ihre Geschichte gut durchdacht, sodass man niemals das Gefühl bekommt, eine bestimmte Szene würde nicht in das Gesamtbild der Trilogie passen. Alle Handlungsstränge sind aufeinander abgestimmt und ergeben ein spannendes Netz voller überraschender Wendungen, actionreicher Ereignisse und emotionaler Vorfälle, die einen atemlos an den Seiten kleben lassen. „Vorhersehbarkeit“ scheint für die Autorin wirklich ein Fremdwort zu sein! Marie Lu bleibt zudem stets authentisch und realistisch, was „Legend“ eine ganz großartige Atmosphäre verleiht.

In ihrem letzten Abenteuer geben Day und June noch einmal alles. June ist in den drei Bänden zu einer tapferen und mutigen Protagonistin herangewachsen. Sie mausert sich mehr und mehr zu einer Politikerin, die ihren Worten auch Taten folgen lässt, denn in ihren Handlungen liegen ihr Wille und ihr Herz. Mit dem von Rachsucht getriebenen Mädchen aus dem ersten Band hat June nichts mehr gemein. Sie ist reifer geworden, hat mit den Schatten ihrer Vergangenheit abgeschlossen und kann sich endlich mit ganzem Herzen für ihre Zukunft einsetzen. Marie Lu setzt June toll in Szene, zeigt ihre Stärken und Schwächen und macht sie zu einem echten Hauptcharakter, von dem man sich nach der letzten Seite nur ungern verabschiedet.

Day dagegen bereitet einem mit jedem Kapitel mehr Sorgen. Sein Gesundheitszustand verschlimmert sich zusehends und machen aus dem schlagfertigen jungen Mann, der sich im ersten Band mit seinem guten Willen in das Herz der Leser geschlichen hat, einen kranken Kämpfer. Allen Schmerzen und Komplikationen zum Trotz kämpft er für die, die er liebt, und versucht dabei stets zu verstecken, was wirklich in ihm vorgeht. Day leiden zu sehen, sticht einem ins eigene Herz, und jede schlimme Nachricht lässt einen mehr bangen. Nichtsdestotrotz bringt Day seine Leser mit seiner Liebenswürdigkeit, seiner Hoffnung und der Liebe zu seiner Familie immer wieder zum Lächeln. Er ist zwar verantwortlich dafür, dass man so manches Mal den Mut verliert, doch zugleich ist er es auch, der einen wieder aufbaut und damit ungeheure Stärke beweist.

Marie Lu hat genau das richtige Maß an Romantik in ihren spannungsgeladenen Trilogie-Abschluss einfließen lassen. Es gibt ein paar wunderschöne Momente zwischen June und Day, die trotz der rasanten Handlung nicht zu kurz kommen, sich zugleich aber auch nicht in den Vordergrund drängen. Lu findet die richtigen Worte und beschreibt die Beziehung ihrer beiden Protagonisten auf eine sanfte, zärtliche Weise. Es wirkt niemals kitschig oder gar aufgesetzt, im Gegenteil: Die intimen Szenen zwischen June und Day sorgen im Trubel für eine gefühlvolle Gänsehaut und bieten Einblicke in die Seiten der Charaktere, die sie sich sonst

Marie Lu führt ihre Trilogie in „Berstende Sterne“ zu einem tollen Abschluss, der der gesamten Reihe gerecht wird. Die Autorin erzählt noch über den actionreichen Showdown hinaus, wie es mit ihren Protagonisten und der Welt, in der sie Leben, weitergeht. Während ich mir als Fan durchaus ein anderes Ende für die „Legend“-Reihe gewünscht hätte, kann ich als Vielleser nur den Hut davor ziehen, wie großartig Marie Lu ihre Trilogie zu Ende führt. Ein gelungener Abschluss, der keine Fragen offen lässt und dafür sorgt, dass man sich gerne an „Legend“ zurückerinnern wird.

*Fazit:*
Mit „Berstende Sterne“ bringt Marie Lu ihre „Legend“-Trilogie zu einem würdigen Abschluss, die die beiden Vorgängerbände noch einmal um Längen in den Schatten stellt. Fans der Trilogie bekommen hier eine grandiose Geschichte voller Action, Spannung und unerwarteter Wendungen geboten, die alle Handlungsstränge endlich zusammen- und zu Ende führt. In Days und Junes letztem Abenteuer weiß man nie, was einen im nächsten Kapitel erwarten wird. Doch eines weiß man genau: Es wird episch! Für „Legend – Berstende Sterne“ vergebe ich verdiente 5 Lurche.

Ein maustastisches Abenteuer für Jung und Alt!

Mouseheart - Die Prophezeiung der Mäuse - Lisa Fiedler

*Worum geht's?*
Hopper und seine Geschwister Pinkie und Pip wachsen im Käfig einer Zoohandlung auf. Niemand von ihnen weiß, was das Leben außerhalb der Käfiggitter für sie bereithält. Doch als sie als Futter für eine fiese Schlange enden sollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als genau das herauszufinden und Reißaus zu nehmen! Als Hopper seine Geschwister im Getümmel verliert und an einem schaurigen Ort im Untergrund landet, ist er sich nicht mehr so sicher, ob das Schicksal, vor dem er geflohen ist, wirklich weniger grausam gewesen wäre... Erst als Zucker, eine Ratte, ihn findet und unter seine Fittiche nimmt, schöpft Hopper neuen Mut. Er wird seine Geschwister wiederfinden, komme, was da wolle! Aber dann erfährt der junge Mäuserich ausgerechnet in Atlantia, der Stadt der Ratten, von einer geheimnisvollen Prophezeiung – und plötzlich lastet auf Hoppers Mäuseschultern nicht nur die Verantwortung für seine Geschwister…

*Meine Meinung:*
Fans von Erin Hunter aufgepasst! Nach großen Helden aus den Reihen der „Warrior Cats“, „Seekers“ und „Survivor Dogs“ schenkt Autorin Lisa Fiedler nun jenen kleinen Wesen ihre Aufmerksamkeit, die wir sonst so schnell übersehen. In „Mouseheart – Die Prophezeiung der Mäuse“, dem Auftakt einer abenteuerlichen Tierfantasy-Trilogie, schenkt Fiedler kleinen Mäusen die Chance, ganz groß zu sein – und nach der letzten Seite kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass die flinken Nager diese auch nutzen!

„Die Prophezeiung der Mäuse“ wartet bereits mit einem spannenden und turbulenten Start auf, sodass man innerhalb kürzester Zeit schon in einen mitreißenden Lesefluss gerät. Neugierig und gespannt klebt man an den Seiten des Romans, der einen zum Schluss eines jeden Kapitels mit einem kleinen, aber feinen Aufhänger zum Weiterlesen animiert. Haben einen die kleinen Nager erst einmal um ihre Pfoten gewickelt (was bei mir schon während einer herzzerreißenden Szene in der Zoohandlung geschehen ist!), gibt es kein Entrinnen mehr!

In der Zwischenzeit sorgen Hopper und die anderen für jede Menge Spannung und Action. Für ein Kinderbuch fordert die Geschichte erstaunlich viele Opfer und Blut. Lisa Fiedler scheut nicht davor zurück, ihre Charaktere furchtbaren Grausamkeiten auszusetzen, verpackt diese jedoch in fesselnde Worte, die sowohl für junge als auch für ältere Leser angemessen sind. „Mouseheart – Die Prophezeiung der Mäuse“ überzeugt mit einer packenden Geschichte, die jeden Leser zu einem Fan der Mäuse werden lässt.

Hopper, die Maus, ist ein Protagonist, der einen zu Beginn vor allem mit seinem schnuckeligen Aussehen verzaubert. Er ist ein sympathisches Kerlchen, an das man schnell sein Herz verlieren könnte, wären da nicht seine naiven Ideen und leichtsinnigen Handlungen, die Hopper in so manch schwierige Situation bringen Rasch zweifelt man an Hopper, riecht man die drohende Gefahr doch selbst als Leser schon 1000 Meilen gegen den Wind! Tatsächlich sind es aber seine Ecken und Kanten, seine Fehler, die ihn so echt machen. Hopper, der als kleine Maus in einem Käfig einer Tierhandlung geboren wird und nur seine begrenzten vier Gitterwände kennt, muss erst noch viel lernen – und das tut er! Er vollzieht eine enorme Entwicklung von der kleinen ängstlichen Mäuslein zum tapferen und kämpferischen Mäuserich und überzeugt damit vor allem jene, die anfangs an ihm gezweifelt haben.

In „Prophezeiung der Mäuse“ trifft man auf eine Vielzahl an Nebencharakteren, die alle ihre eigene Geschichte zu erzählen haben. Lisa Fiedler ist es gelungen, ihre tierischen Charaktere auf eine authentische, kindgerechte und lebendige Weise zu gestalten. Jeder von ihnen besitzt eine gewisse Tiefe, eine Hintergrundgeschichte, die sie oder ihn maßgeblich geprägt haben. Von Oberflächlichkeit fehlt bei diesen Figuren jede Spur!

Unterstützt wird die Geschichte von Illustrationen der Künstlerin Vivienne To. Sie hat entscheidende Schlüsselszenen mit Liebe zum Detail verbildlicht, sodass man gar nicht anders kann, als sich in Hopper und seine Freunde – gar in seine Feinde! – zu vergucken. Tos Illustrationen sind ein zuckersüßer Augenschmaus, der die Atmosphäre von „Mouseheart – Die Prophezeiung der Mäuse“ unterstreicht und das Leseerlebnis besonders für jüngere Leser noch intensiviert.

Da es sich um den Auftakt einer Reihe handelt, bleiben nach der letzten Seite natürlich einige Fragen offen, die sich während des Schmökerns vermehrt in den eigenen Kopf geschlichen haben. Der Haupthandlungsstrang des ersten Bandes wird zwar abgeschlossen, doch alles deutet darauf hin, dass dies erst der Anfang eines noch viel größeren Abenteuers für Hopper sein sollte. Glücklicherweise erspart Lisa Fiedler ihren Lesern einen gemeinen Cliffhanger, sodass die Wartezeit bis zum nächsten Buch nicht auch noch zu einer Belastungsprobe für die eigenen Nerven entwickelt!

*Fazit:*
„Die Prophezeiung der Mäuse“, der Auftakt zur „Mouseheart“-Trilogie von Lisa Fiedler, ist ein absolutes Must-Read für Tierfantasy-Fans. Die Geschichte von Mäuserich Hopper, der gemeinsam mit seinen Geschwistern aus seinem Leben in einem Käfig ausbricht und ein unglaubliches Abenteuer erlebt, ist voller Spannung und mitreißender Action! Hat man das Buch erst einmal begonnen, gibt es kein Entrinnen mehr, bis man die letzte Seite erreicht hat. Die großartigen Charaktere, die man in „Die Prophezeiung der Mäuse“ kennen- und lieben lernen darf, runden den Roman ab. Leider wird man nicht jeden von ihnen in der Fortsetzung wiedersehen dürfen… Für „Mouseheart – Die Prophezeiung der Mäuse“ vergebe ich gute 4 Lurche. Ein maustastisches Leseabenteuer für Jung und Alt!

Atmosphärisch, aufregend - und absolut lesenswert!

Der Giftschmecker - Fletcher Moss

*Worum geht's?*
Dalton Fly ist ein Giftschmecker. Seit er denken kann, schluckt Dalton ein Gift nach dem anderen, um die Schönen und Reichen von Highlions vor einem schrecklichen Tod zu bewahren. Normalerweise schmeckt Dalton es sofort, wenn er in ein vergiftetes Festmahl beißt. Doch nach seinem letzten Auftrag ist sein Freund Bennie Jinks tot – und Dalton erinnert sich an nichts! Während das Gift noch in ihm wütet, flüchtet Dalton zu seiner Bande von Giftschmeckern, aber damit lässt es der mutige junge Mann natürlich nicht auf sich beruhen. Dalton muss herausfinden, wer hinter dem üblen Anschlag steckt und welche Absichten dieser jemand verfolgt, und nichts und niemand wird ihn davon abhalten! Auf seiner Suche nach der Wahrheit legt sich Dalton Fly jedoch mit den mächtigsten Männern von Highlions an – und kommt einem falschen Spiel auf die Schliche. Ein tödlicher Wettlauf gegen die Zeit beginnt...

*Meine Meinung:*
Ohne Erklärungen oder Erläuterungen wirft Fletcher Moss seine Leser mit der ersten Seite in ein grausames Bild: Dalton Fly kommt, in einer Lache aus seinem eigenen Blut und Erbrochenem liegend, zu Bewusstsein. Die Erinnerungen an seine letzten Stunden sind verloren, aber die Leiche seines Freundes Bennie Jinks verrät Dalton genug, um schnell das Weite zu suchen. Offensichtlich ist etwas bei ihrem letzten Auftrag als Giftschmecker, als Vorkoster, nicht nach Plan verlaufen, und das Gift, das Bennie getötet hat, wütet noch immer in Daltons Körper. So rasant, wie „Der Giftschmecker“ beginnt, führt Fletcher Moss seine Geschichte um Dalton Fly auch weiter. Man kann gar nicht anders, als sich sofort von der Geschichte mitreißen zu lassen.

„Der Giftschmecker“ bietet seinen Lesern ein herrlich aufregendes Leseabenteuer, aus dem man gar nicht mehr auftauchen mag. Fletcher Moss schreibt so mitreißend, dass man alles um sich herum vergisst und gar nicht bemerkt, wie schnell man durch die Geschichte rauscht. Das atmosphärische Setting des viktorianischen Städtchens Highlion zieht einen unweigerlich in seinen Bann und die actionreiche Handlung, in der eine spannende Verfolgungsjagd die nächste überrollt, lässt einen an den Seiten kleben. Es macht unheimlich viel Spaß, gemeinsam mit Dalton auf die abenteuerliche Suche nach der Wahrheit zu gehen. Langeweile sucht man hier vergeblich! „Der Giftschmecker“ ist ein aufregender Pageturner, der mit einer beeindruckend konstruierten und fesselnden Geschichte begeistert – und das nicht nur junge Leser! Es ist ein Buch, in das man voll und ganz abtauchen kann und das einem großartige Lesestunden bester Unterhaltung beschert.

Dalton Fly, der Protagonist der Geschichte, ist ein vielschichtiger Charakter mit einer mysteriösen Geschichte, die er selbst nicht zu erzählen vermag. Denn Dalton kann sich weder an seine Herkunft noch an seine Eltern erinnern. Er weiß nicht einmal, wie alt er tatsächlich ist! Seit er denken kann wird er von seinem Boss Oscar zu einem Giftschmecker erzogen, der den Reichen und Einflussreichen von Highlions den Tod durch Gift ersparen soll. Dalton ist ein rundum gelungener Protagonist, mit dem man ab der ersten Seite sympathisiert. Er ist tapfer und mutig, scheut vor keinem Abenteuer zurück, verliert niemals seinen Humor und trägt sein Herz am rechten Fleck. Mit jedem Kapitel kann Dalton seine Leser mehr von sich überzeugen, bis er einem so ans Herz gewachsen ist, dass man ihn nach der letzten Seite gar nicht mehr gehen lassen möchte.

Neben Dalton Fly hat „Der Giftschmecker“ wirklich tolle und interessante Nebencharaktere zu bieten, die einem den Lesespaß noch weiter versüßen. Während Daltons Freund Sal Sleepwell, seines Zeichens ebenfalls Giftschmecker, und die toughe Scarlett von Anfang an das Geschehen mitbestimmen, treten im weiteren Verlauf der Geschichte noch einige Figuren auf, die mit großartigen Schlagabtäuschen, fiesen Spielchen oder mutigen Taten punkten können. Trotz ihrer sehr knapp bemessenen Zeit hat es Fletcher Moss geschafft, seine Charaktere mit so viel Leben zu füllen, dass sie von den Buchdeckeln nur mühsam zwischen den Seiten gehalten werden können.

Mit dem Ende seiner Geschichte hat Fletcher Moss einige Sympathiepunkte bei mir einbüßen müssen. Der Autor führt im Verlauf des Romans alle Handlungsstränge zusammen, lässt seine Leser nach dem Epilog allerdings mit einem großen Fragezeichen im Kopf zurück, auf das man wirklich gerne noch eine Antwort bekommen hätte! Andererseits bietet der Epilog besonders für jüngere Leser, die gerne selbst kreativ werden, sehr viel Potenzial zum eigenen Weiterträumen und Weiterspinnen der Geschichte.

*Fazit:*
„Der Giftschmecker“ von Fletcher Moss ist ein spannungsgeladener Roman für Jung und Alt, der einen nicht mehr loslässt. Die Geschichte des jungen Giftschmeckers Dalton Fly ist so rasant, so aufregend, so mitreißend, dass man nicht mehr mit dem Lesen aufhören kann. Das atmosphärische Setting und der fesselnde Schreibstil des Autors, der einen voll und ganz in die Geschichte abtauchen und Seite an Seite mit den facettenreichen Charakteren auf Spurensuche gehen lässt, sorgen für packende Lesestunden. Langeweile, die das Buch vergiftet, findet man zwischen diesen Buchdeckeln nicht! Einzig der Epilog hat mich ein wenig unglücklich zurückgelassen. Für „Der Giftschmecker“ gibt es sehr gute 4 Lurche!

Kreativ und besonders, aber mit einigen Längen

Skylark - Der eiserne Wald  - Meagan Spooner

*Worum geht's?*
Lark lebt in einer Stadt, die durch eine Mauer von dem Rest der Welt abgeschottet ist – der letzten Stadt der Welt. Die Gesellschaft hat für jeden Bürger einen festen Platz und Lark kann es gar nicht abwarten, endlich ihren Teil für das Wohl der Stadt beizutragen. Als Larks Magie geerntet werden soll, um als Energiequelle für die Stadt genutzt zu werden, kann Lark ihr Glück kaum fassen. Schließlich ist die Ernte in der Stadt ein groß gefeiertes Ritual, um die Kindheit hinter sich zu lassen. Doch als Lark herausfindet, was dabei wirklich mit ihr geschieht und welche Machenschaften sich im Dunkeln der Stadt abspielen, fasst sie einen todesmutigen Entschluss: Sie flieht aus der Stadt, mitten in die ihr unbekannte Wildnis, in der grausige Gefahren lauern…

*Meine Meinung:*
„Der eiserne Wald“ ist der Auftakt einer neuen Jugendbuch-Reihe, die mehrere Genres in sich vereint. Meagan Spooner hat für ihre „Skylark“-Trilogie eine komplexe Welt voller grandioser Ideen geschaffen, die fasziniert und zugleich traumatisiert: Protagonistin Lark lebt in der letzten Stadt der Welt, eingekesselt und von undurchdringlichen Mauern umgeben, die sie vor den gefährlichen und brutalen Monstern der Außenwelt schützen sollen. Alles in der Stadt wird durch Magie betrieben – Maschinen, mechanische Tiere, sogar das Wetter wird kontrolliert! -, die von jedem Jugendlichen zum Wohle aller „geerntet“ wird. Schnell lässt sich erahnen, dass in der Stadt nicht alles mit rechten Dingen zugeht, aber was Lark tatsächlich hinter der Fassade erblickt, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren…

Was sich im Klappentext und auf den ersten Seiten so vielversprechend anhörte, konnte mich in der konkreten Umsetzung zunächst nicht für sich begeistern. Meagan Spooner wirft ihre Leser mitten in das Geschehen und verzichtet auf Erklärungen, die den vielen aufkommenden Fragen Abhilfe verschaffen würden. Ohne zu wissen, was in „Skylark“ überhaupt vor sich geht, was die vielen neuartigen Begebenheiten zu bedeuten haben und in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln will, gestalteten sich die ersten Kapitel des Romans für mich sehr zäh. Was es für mich sehr schwierig machte, mich in die Geschichte einzufinden, ist einerseits natürlich eine großartige Möglichkeit für die Autorin gewesen, Larks eigene Ratlosigkeit darzustellen und den Leser auf diese Weise an ihren verworrenen Gefühlen teilhaben zu lassen. Für mich war es an einigen Stellen allerdings leider zu viel des Guten.

Meagan Spooner hält sich auch im Verlauf der Geschichte mit Erläuterungen zurück. Sie möchte, dass man die Welt, in der Lark lebt, selbst erkundet und mit eigenen Augen erlebt. Dank der dichten Atmosphäre, die das Buch umhüllt und die dunkle Magie auch über die Seiten hinaus spürbar macht, möchte man auch genau das: Voll und ganz in die Geschichte abtauchen, jeden Handlungsstrang kennenlernen und sich mitreißen lassen. Doch so überzeugend die Atmosphäre auch war, durch die offenen Fragen und Ungereimtheiten wurde ich immer wieder aus dem Lesefluss herausgerissen. Auch Larks lange und teils sehr langatmige Reise hat ihren Teil dazu beigetragen. Zwar bringt ihr die Flucht viele Erkenntnisse, die dem Leser auch Antworten auf so manche Frage bieten, aber leider bekommt man so manches Mal das Gefühl, dass die Geschichte nicht wirklich voran kommt.

Dass mir so lange der Zugang zum Buch fehlte, tut mir im Fall von „Skylark – Der eiserne Wald“ besonders weh. Denn Meagan Spooner beweist ab der ersten Seite, dass sie eine außergewöhnliche und kreative Autorin ist, die nichts von Genregrenzen oder altbekannten Handlungsverläufen hält. Sie verknüpft bedrückende Dystopie-Elemente mit jeder Menge Fantasy, wie man es bisher noch nicht gelesen hat. Sogar die Magie als solche bekommt durch Spooner einen originellen, teils sehr abstrakten Anstrich. „Skylark“ ist ein besonderer Trilogie-Auftakt – in vielerlei Hinsicht – und daher ganz klar eine Empfehlung für alle, die gerne Jugendbücher lesen, die nicht dem Einheitsbrei entsprechen.

Im letzten Drittel entwickelte sich „Der eiserne Wald“ schließlich doch noch zu einem Pageturner, der die Seiten leichtweg davonfliegen ließ, aber im Gegenzug musste die Handlung wohl einiges an Originalität einbüßen. Tappte man zu Beginn des Romans noch völlig im Dunkeln, ohne auch nur im Geringsten zu erahnen, was einen erwarten würde, so werden die Wendungen von Kapitel zu Kapitel vorhersehbarer. Endlich kommt „Skylark“ ins Rollen und die Geschehnisse überschlagen sich, bis man nach dem rasanten Finale plötzlich die letzte Seite vor sich hat und nicht recht weiß,

Lark, das 16-jährige Mädchen, ist eine Protagonistin, die viele Kritikpunkte wieder ausbügeln kann. Als Erzählerin der Geschichte lässt sie die Leser an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben, die sie als rundum authentische Figur mit Stärken und Schwächen entlarven. Auf den ersten Seiten lernt man sie als leichtgläubiges, wenn auch mutiges Mädchen kennen, das ihrer Heimat ihren Dienst erweisen will. Ihr dringlicher Wunsch, ein Teil des großen Ganzen zu sein, lässt sie so manche falsche Entscheidung treffen, doch genau diese Momente sind es, die Lark so natürlich und realistisch erscheinen lassen. Erst im Laufe der Geschichte, erst durch die Erfahrungen, die sie sammelt, entwickelt sie sich weiter. Sie wächst zu einer Kämpferin heran, die sich für jene einsetzt, die sie liebt, ohne dabei sich selbst zu verlieren. Lark ist mir sehr ans Herz gewachsen und ich freue mich schon darauf, ein weiteres Abenteuer mit ihr zu erleben.

*Fazit:*
„Der eiserne Wald“, der Auftakt der „Skylark“-Trilogie von Meagan Spooner, lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits hat mich die Welt, in der die Autorin Science Fiction und Fantasy auf originelle und komplexe Weise miteinander verwebt, absolut in ihren Bann gezogen, andererseits fand ich mich durch die vielen offenen Fragen und Ungereimtheiten lange nicht in der Geschichte zurecht. Während mich Lark als Protagonistin mit ihrer Authentizität überzeugen konnte, erschien mir ihr Abenteuer so manches Mal langatmig und zäh. „Der eiserne Wald“ ist für mich ein sehr durchwachsenes Buch, das es mir nicht leicht machte, mich aber auf magische Weise immer wieder zum Weiterlesen zwang. Wer Lust auf eine kreative Geschichte fernab des Einheitsbreis hat, wird hier definitiv fündig. Für „Skylark – Der eiserne Wald“ vergebe ich 3 Lurche mit viel Luft nach oben, die Meagan Spooner im nächsten Band hoffentlich noch weiter ausbauen wird.

Historischer Jugendroman voller Gefühl

Das Herz des Sternenbringers - Priska Lo Cascio

*Worum geht's?*
1066: Ein Spionageauftrag treibt den Normannen Garred nach England, wo er sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen das Vertrauen der Bewohner von Wertlyng erschleicht. Garred hat jedoch nicht damit gerechnet, dass er sich ausgerechnet in die schöne Alwynn verliebt. Sie ist die Schwester des Thane und wacht während der Abwesenheit ihres Bruders Wigstan über Wertlyng und ihrer Bewohner. Je mehr Zeit Garred mit Alwynn verbringt, desto stärker wird sein Wunsch, sie zu beschützen – doch mit jedem Tag, der vergeht, rückt auch der große Krieg zwischen den Normannen und den Angelsachsen näher. Garred muss sich entscheiden: Auf wessen Seite will er stehen – und hat seine Liebe überhaupt eine Chance?

*Meine Meinung:*
In „Das Herz des Sternenbringers“ entführt Autorin Priska Lo Cascio ihre Leser in die Vergangenheit – und zwar nach England, fast 1000 Jahre zurück! Der historische Jugendroman lässt dank Lo Cascios Schreibstil schon nach wenigen Seiten eine typisch historische Atmosphäre aufkommen, die Fans des Genres augenblicklich für sich einnehmen wird. Priska Lo Cascio umschreibt die Schauplätze und die Ereignisse mit viel Liebe zum Detail und legt ihren Charakteren genau die richtigen Worte in den Mund: Sie sprechen zeit- und standesgemäß, allerdings in Maßen, sodass sich jüngere Leser keinesfalls davon überfordert fühlen werden.

Der Einstieg in die Geschichte gestaltet sich trotz der tollen Stimmung zunächst schwierig. Die vielen unterschiedlichen Figuren stürzen geradezu auf einen ein, ohne dass man etwas mit ihnen anzufangen weiß, und ihre altertümlichen Namen machen es schwer, sie auf Anhieb voneinander unterscheiden zu können. Es dauert ein paar Kapitel, bis man sich auf die Handlung und die einzelnen Charaktere eingestellt hat. Hat man diesen Punkt jedoch erst einmal überwunden, fragt man sich schnell, wie man es überhaupt nur wagen konnte, Goderun mit Guthyld zu verwechseln!

Alwynn ist die Protagonistin des Romans. Als Schwester des Thane von Wertlyng ist sie zwar wohlbehütet aufgewachsen, doch sie musste durch den frühen Verlust ihrer Eltern schnell lernen, Verantwortung zu übernehmen. In Abwesenheit ihres Bruders Wigstan ist es ihre Aufgabe, über sein Hofgut und seine Bewohner zu wachen und zu herrschen. Alwynn tut dies mit einer solchen Hilfsbereitschaft und Güte, dass sie sich einen ehrenwerten Namen gemacht hat. Man sollte allerdings tunlichst nicht den Fehler begehen, sie zu unterschätzen! Auch wenn Alwynn eine herzensgute junge Frau ist, kann sie hart und bestimmt durchgreifen. Sie ist stark, schlagfertig und mutig und lässt sich von Nichts und Niemandem bezwingen. 

Im Gegensatz zu ihr steht Garred, der es als Normanne mit angelsächsischem Blut in seinen Adern nie leicht im Leben gehabt hat. Aufgewachsen auf einem reichen Gut, hat Garred nach dem Tod seines Großvaters alles verloren. Nun schlägt er sich eher schlecht als recht durchs Leben. Kein Wunder, dass er nicht lange zögert, als er als Spion für die Normannen alles zurückgewinnen kann. Garred kämpft für das, was er liebt, und ist im Grunde ein guter Kerl mit lobenswerten Moralvorstellungen. Außerdem verfügt der junge Mann über eine gehörige Portion Charme, mit der er Frauenherzen im Sturm erobern kann! Garred ist ein interessanter Charakter, dessen Absichten und Beweggründe man sehr gut nachvollziehen kann.

In „Das Herz des Sternenbringers“ steht die Liebesgeschichte zwischen Alwynn und Garred und auch die zwischenmenschlichen Beziehungen der anderen Charaktere ganz klar im Vordergrund. Kapitel für Kapitel spürt man, wie Alwynn und Garred sich durch die Ereignisse näher kommen, welche Bande die Menschen von Wertlyng knüpfen und welche reißen. Priska Lo Cascio konzentriert sich auf die Emotionen in ihrer Geschichte und weiß genau, wie sie das Herz ihrer Leser erreichen kann.

Die Autorin kann mit den Gefühlen zwar mächtig punkten, aber leider gerät vor allem durch die Liebesgeschichte vieles in den Hintergrund. Garred wahre Absichten an Alwynns Hof werden lange Zeit kaum thematisiert und auch die große Schlacht, die der Herrscher der Normannen bereits im Prolog ankündigt, lässt lange auf sich warten. „Das Herz des Sternenbringers“ lebt von den Gefühlen, die sich zwischen den Buchdeckeln entwickeln, und wird erst auf den letzten 100 Seiten zu einem spannungsgeladenen Roman, in dem sich die Ereignisse überschlagen. Wer lieber aufregende statt gefühlvolle Geschichten liest, wird mit diesem Roman vielleicht eher nicht so glücklich, während Fans von romantischen und historischen Jugendbüchern voll und ganz auf ihre Kosten kommen!

Welche historischen Ereignisse sie zu dem Roman inspiriert haben, erklärt die Autorin in ihrem Nachwort. Sie erläutert grob, was die normannische Invasion für England bedeutete und sogar was wirklich im Jahre 1066 mit Wertlyng geschah. Erst mit den letzten Seiten, mit den Anmerkungen von Priska Lo Cascio, wird klar, wie nah an den historischen Überlieferungen sich der Handlungsstrang entwickelt. Ein klarer Pluspunkt für die tolle Recherchearbeit der Autorin!

*Fazit:*
„Das Herz des Sternenbringers“ von Priska Lo Cascio ist ein historischer Jugendroman, der seine Leser in das England des 11. Jahrhunderts entführt. In einer stimmigen Atmosphäre lernt man die Angelsächsin Alwynn und den Normannen Garred kennen. Alwynn, die Schwester des Thane von Wertlyng, und Garred, den es eigentlich nur wegen eines Spionageauftrags nach England getrieben hat, entwickeln schnell verbotene Gefühle für einander und der Ärger scheint unvermeidlich. Tatsächlich lässt der spannungsgeladene Showdown aber lange auf sich warten. Priska Lo Cascio legt die Gefühle in ihrer Geschichte ganz klar in den Vordergrund. Für Fans von historischen Jugendbüchern voller Romantik ist „Das Herz des Sternenbringers“ eine ganz klare Leseempfehlung, aber als absolutes Must-Read des Genres hat sich der Roman nicht erwiesen. Für „Das Herz des Sternenbringers“ vergebe ich schwache 4 Lurche.

"10. Lebensregel: Alles wird anders, nichts bleibt, wie es ist."

Der Schatten meines Bruders: Roman - Tom Avery

*Worum geht's?*
Kaia ist erstarrt. Seit ihr Bruder gestorben ist, ist sie festgefroren. Festgefroren in der Vergangenheit, die sie niemals vergessen wird. Weder ihre Freunde noch ihre Mutter, die ihre eigenen Sorgen durch Alkohol zu verdrängen versucht, können Kaia helfen. Aber dann kommt plötzlich ein wilder Junge an Kaias Schule. Er redet nicht, ist durch und durch unbezähmbar und niemand weiß, woher er kommt – und doch ist er der Einzige, der Kaia zu verstehen scheinen. Durch ihn löst sich Kaias Starre. Durch ihn fasst sie den Mut, sich wieder dem Leben zu stellen. Eine Freundschaft voller lauter Fragen beginnt, auf die es nur stille Antworten zu geben scheint.

*Meine Meinung:*
Man muss genau hinschauen, damit man sie nicht übersieht: die kleinen, feinen Büchlein, die sich bescheiden im Hintergrund halten. Die sich in den Buchhandlungen schüchtern zwischen den dicken Schmökern verstecken. Die nicht mit den ganz Großen um Platzierungen auf Bestsellerlisten kämpfen wollen. Sie haben wunderschöne Geschichten zu erzählen, die berühren und bewegen, nachdenklich stimmen und im Kopf bleiben. Aber sie sind zurückhaltend, scheu, leise. Sie kommen nicht auf dich zu, umgarnen dich nicht mit Witz und Charme, die beste Unterhaltung versprechen. Sie wollen dir von sich erzählen, dir allein eine Geschichte zuflüstern, die du nicht mehr vergessen wirst. Aber es liegt an dir, sie zu entdecken.

Tom Averys Debüt „Der Schatten meines Bruders“ ist ein solches Buch. Es ist ein zierlicher Roman, den man mit seinen knapp 150 Seiten in einer Buchhandlung schnell einmal übersehen kann. Dabei steckt auf den wenigen Seiten eine Geschichte, die viel mehr zu bieten hat als so mancher Bestseller. Es ist ein kleines Meisterwerk, das es verdient hat, beachtet und gelesen zu werden. „Der Schatten meines Bruder“ erzählt von der Schwere, die einen überfällt, wenn man einen geliebten Menschen verliert. Von der Trauer, die einen erstarren und verrückt werden lässt. Aber es erzählt zugleich auch von dem Mut, etwas Neues anzufangen. Den Verlust nicht zu vergessen, aber hinter sich zu lassen. Wieder zu lächeln und zu leben.

„Der Schatten meines Bruders“ erzählt die Geschichte von dem jungen Mädchen Kaia – oder vielmehr: Die Geschichte wird von ihr niedergeschrieben. In dem Roman bekommt man Kaias Aufzeichnungen zu lesen, die sie für sich selbst aufgeschrieben hat. Auf intensive und eindringliche Art und Weise nimmt man an Kaias Leben teil, das man seit des Todes ihres Bruders schon gar nicht mehr als Leben bezeichnen kann. Sie hat all ihre Freunde verloren, findet in der Schule keinen Anschluss mehr und ihre Mutter ertränkt ihre eigenen Sorgen mit Alkohol. Als ein seltsamer Junge an Kaias Schule kommt, ändert sich alles, ganz plötzlich und schleichend zugleich.

Der mysteriöse Junge ist wild und stumm. Er redet nicht, hört dafür aber ganz genau zu, und nimmt die Welt durch seine wilden Augen ganz anders wahr. Auf stille Art werden er und Kaia zu Freunden, besten Freunden, und durch ihn beginnt das Mädchen langsam, aber sicher wieder zu leben. „Der Schatten meines Bruders“ zeigt, wie wichtig Freundschaft ist und was sie bewirken kann. Ihn und Kaia verbindet eine ganz besondere, innige Beziehung, die man nur schwer beschreiben kann. Man muss sie lesen, selbst erleben, um verstehen zu können, warum und wieso ausgerechnet ein wilder Junge und ein festgefrorenes Mädchen ein unbezwingbares Duo abgeben, das einen tief in der Seele berührt.

„Der Schatten meines Bruders“ behandelt mit Themen wie dem Tod, der Trauer und der Flucht in eine Sucht ohnehin sehr schwerwiegende und schwierige Aspekte. Tom Avery geht jedoch noch einen Schritt weiter und stellt diese auf eine unverblümte, erschreckend realistische und zugleich tief bewegende Weise dar, die einem eine Gänsehaut beschert. Auch als erwachsene Leserin, die nicht mehr in die angesprochene Leserschaft von 12-15 Jahren passt (obwohl ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen möchte, dass „Der Schatten meines Bruders“ alles andere als bloß ein Jugendbuch ist und keinesfalls an Altersgrenzen gebunden ist!), war ich von einigen expliziten Szenen sehr geschockt. Tom Avery erzählt die Geschichte durch die Augen eines jungen Mädchens, authentisch, realitätsnah und glaubhaft, aber eben auch knallhart. „Der Schatten meines Bruders“ ist ein Buch, das nicht nur Jugendliche ein wenig an ihre Grenzen treibt. Sanfte Gemüter sollten Averys Roman daher vielleicht nicht alleine lesen.

Tom Avery konzentriert sich in seinem Roman auf das, was wirklich zählt: die Momente, in denen die Trauer am größten ist, und jene, in denen sich alles ändert. Avery holt nicht weit aus und erzählt in „Der Schatten meines Bruders“ nicht die komplette Lebensgeschichte seiner Protagonistin Kaia. Man darf sie nur für eine kurze Zeit durch ihr Leben begleiten und nimmt nur an den wichtigsten Sequenzen teil. Viele Dinge, wie etwa ihre früheres Leben oder das ihres Bruders, werden nur angeschnitten und nicht ausführlich behandelt. Avery lässt seine Leser über viele Fakten und Geschehnisse im Unklaren, er lässt viele Fragen unbeantwortet. Was einen in vielen Büchern tatsächlich nervt, ist in „Der Schatten meines Bruders“ allerdings genau richtig. Alles andere hätte gar nicht in das Buch gepasst und vom Eigentlichen abgelenkt: Von dem, worauf es ankommt.

Tom Avery unterteilt Kaias Geschichte nicht in klassisch durchnummerierte Kapitel, sondern in 10 bewusste gesetzte Abschnitte, die sowohl Fortschritte als auch Rückschritte für das Mädchen bedeuten können. Jeder dieser Abschnitte wird durch eine von Kaias Lebensregeln („6. Lebensregel: Pass gut aus – du könntest etwas verpassen“, S. 85) eingeleitet, die sich mitsamt ihrer Bedeutung in das eigene Gedächtnis brennen. Die Worte, die Avery für Kaia gewählt hat, erscheinen im ersten Moment vielleicht gar nicht so bedeutsam, doch je intensiver man in die Welt des verletzten Mädchens abtaucht, desto deutlicher und schwerer lastet jedes einzelne von ihnen auf dem eigenen Herzen – und desto prägender ist das, was nach der letzten Seite mit einem selbst geschieht.

*Fazit:*
„Der Schatten meines Bruders“ von Tom Avery ist ein kleines Meisterwerk, das jeder gelesen haben sollte. Es ist eine berührende und bewegende Geschichte über den Tod und die Trauer, aber auch über den Mut, etwas hinter sich zu lassen und wieder zu leben. Kaia und der wilde, stumme Junge sind ein Duo, das einen tief im Herzen, aber auch im Kopf bewegt. Tom Averys Debüt ist unbeschreiblich traurig und schön zugleich, ein Buch, über das man viel reden, dem man aber mit keinem Wort gerecht werden kann. Für mich ein absolutes Must-Read! Für „Der Schatten meines Bruders“ vergebe ich 5 Lurche.

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